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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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lauter Fotos vom Bau unserer Ranch in ein Album geklebt und die Entstehung dokumentiert: »Am A n fang war Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und voll Unkraut. Dazu einige Bäume.« Unter einem andern Foto stand: »Während der alte Bär dann zur Kur sich ve r drückt, schuftet Frauchen weiter. Voller Hoffnung feiern wir Weihnachten und bauen uns ein Zukunft s schloß.«
    In der Mitte des gold e nen Albums dann eine Zweitausfertigung der Urkunde: »Dieses Haus wurde unter großen Opfern und mit Aufbietung der ganzen ve r fügbaren Kraft im steten Kampf zur Abwendung der verschiedensten Unzulän g lichkeiten – besonders bürokratischer Engstirnigkeit – von uns in einer Zeit ha r ter Gegensätze im Weltgeschehen gebaut. Es gibt viele Neider und W i dersacher. Doch ihnen zum Trotz sagen wir: Unser Haus wird st e hen und uns erfreuen. In diesem Haus wird der Friede wohnen und stilles Glück. Berlin- Blankenburg, am 3. März 1968.«
    Genau in dem Jahr, als die Russen in Prag einmarschierten, hatte Gustav für den aufwendigen Bau seines antifaschistischen Schutzwalls hinter dem antif a schistischen Schutzwall, der uns alle sowieso schon umgab, den letzten Grun d stein gelegt. Großmutter und ich hatten es gut. Dank Großvater waren wir in unserm Am i bungalow doppelt geschützt. Bei uns konnte weder jemand rein- noch rausmarschieren. Nicht mal die Russen. Alle mußten anklo p fen, egal ob Freund oder Feind. Wir waren verbarrikadiert für die Ewigkeit und sahen unter Großvaters schützender Hand hinaus ins friedliche Grün unseres Schloßgartens.
    Ich schlich mit meinen Freunden um das Z u kunftsschloß rum. Mit Stöckchen und Taschenmessern kratzten wir an den Mauern und suchten nach der Urku n de. Abends kauerten wir in der Gartenhöhle und spannen Theorien über die »harten Gegensätze im Weltg e schehen«. Wir stellten uns vor, daß eine feindliche Armee aus dem kapitalistischen Ausland versuchte, Haus und Garten zu zerstören. Natürlich kon n te das nicht funktionieren, denn nur in der DDR gab es, da waren wir sicher, Zukunft s schlösser mit ei n gemauerten Urkunden.
    Seltsamerweise befand sich unsere Ranch ganz in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers. Mit dem Auto fuhr man eine knappe halbe Stunde dorthin. Warum hatte Großvater ausg e rechnet da und nicht in Grünau, am Zeuthener See oder sonstwo gebaut? Vorher hatte er in Rangsdorf bei Zossen gewohnt, also südlich von Berlin. Warum mußte es plötzlich der Norden sein, kurz vor Sachsenhausen? Schöne Gegenden gab es auch im Süden g e nug! Und daß Gustav sich nichts aus der geographischen Lage g e macht haben soll, ist kaum vorstellbar. Wie dem auch sei, das Blankenburger Paradies war dreißig Fahrminuten vom KZ en t fernt.
    Das Zentrum unserer Ranch war ein riesiger Raum mit drei Abteilungen, d e ren erste ein Eßzimmer mit Kamin war. Durch drei schmale, nebeneinanderli e gende Bogenfenster fiel trübes Licht auf den glänzenden Parkettfußboden. Die Sche i ben hatte Großvater bunt bemalt und mit dünnen Streifen aus schwarzem Lenkerband beklebt, so daß sie wirkten wie Ble i glasfenster. Das Eßzimmer war meine Kirche. Wenn ich träumen wollte, legte ich »Hans Otto an der Silberman n orgel« auf, streckte mich auf dem Parkett aus und faltete die Hände über dem Bauch.
    Die zweite Abteilung war das Wohnzimmer mit selbstgemachtem Stuck. Großvater hatte ausgefallene Ornamente aus einer d i cken Pappe gestanzt, golden angestrichen und an die Decke gen a gelt. Darunter hatte er in einem Kasten eine indirekte dimmbare Beleuchtung installiert. An Herbst a benden, wenn es früh dunkel wurde und ni e mand außer mir zu Hause war, dimmte ich von ganz hell bis ganz dunkel immer rauf und runter. Zu jedem Licht dachte ich mir eine pa s sende Szenerie aus. Ich lud meine Freunde ein und tyrannisierte sie mit den Lichtspielen. Sie sollten sich auch was ausdenken, aber meistens fiel ihnen nichts ein. Trotzdem kamen sie wi e der, denn kein Kind außer mir hatte in den siebziger Jahren im Osten einen Dimmschalter. Und go l denen Stuck an der Decke hatten die andern schon gar nicht.
    Die dritte Abteilung war ein Wintergarten. Er war ganz hell, denn die Fenster reichten bis zum Boden. Auch hier gab es einen Kamin. Abends konnte man am Feuer sitzen und durch die breite Glasfront hinaus in die Natur sehen. Im Winter, wenn der Vol l mond auf die schneebedeckten Tonnen schien, war der Garten wie verzaubert. Geheimnisvoll glitzernde Traumwelt, in die wir

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