Drei Kameraden
schlafen?«
»Nein, ich bin ganz ausgeschlafen. Ich stehe gleich auf.«
Ich ging in das Zimmer nebenan, während sie sich anzog.
Es wurde draußen langsam dunkel. Aus einem offenen Fenster gegenüber quakte ein Grammophon den Hohenfriedberger Marsch. Ein Mann mit einer Glatze und mit Hosenträgern bediente den Apparat. Er ging im Zimmer hin und her und machte zu der Musik Freiübungen. Seine Glatze leuchtete aus dem Halbdunkel wie ein aufgeregter Mond. Ich sah gleichgültig zu. Ich fühlte mich stumpf und traurig.
Pat kam herein. Sie sah wunderschön aus, ganz frisch und gar nicht mehr abgespannt. »Du siehst glänzend aus«, sagte ich überrascht.
»Ich fühle mich auch gut, Robby. Als wenn ich eine ganze Nacht geschlafen hätte. So etwas wechselt rasch bei mir.«
»Ja, weiß Gott! Manchmal geht es so rasch, daß man kaum
mitkommt.«
Sie lehnte sich an meine Schulter und sah mich an. »Zu rasch, Robby?«
»Nein. Höchstens bei mir zu langsam. Ich bin oft etwas langsam, Pat.«
Sie lächelte. »Langsam ist fest. Und fest ist gut.«
»Ich bin so fest wie ein Kork auf dem Wasser«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Du bist viel fester, als du glaubst.
Du bist überhaupt ganz anders, als du denkst. Ich habe selten jemand gesehen, der so über sich selber im Irrtum ist wie du.«
Ich ließ ihre Schulter los.
»Ja, Liebling«, sagte sie und nickte, »das ist wirklich so.
Und nun komm, wir wollen jetzt essen gehen.«
»Wohin wollen wir denn gehen?« fragte ich.
»Zu Alfons. Ich muß all das wiedersehen. Ich habe das
Gefühl, als wäre ich eine Ewigkeit fortgewesen.«
»Gut!« sagte ich. »Aber hast du auch den richtigen Hunger dafür? Zu Alfons kann man nicht gehen ohne Hunger. Er wirft einen sonst 'raus.«
Sie lachte. »Ich habe sogar einen furchtbaren Hunger.«
»Dann los!« Ich war plötzlich sehr froh.
Der Einzug bei Alfons war triumphal. Er begrüßte uns, verschwand gleich darauf und kam wieder, einen weißen Kragen und eine grüngepunktete Krawatte umgebunden. Das hätte er beim deutschen Kaiser nicht gemacht. Er war auch selbst etwas verlegen über dieses unerhörte Zeichen von Dekadenz.
»Also, Alfons, was gibt es Gutes?« fragte Pat und stemmte beide Hände auf den Tisch.
Alfons schmunzelte, blies die Lippen auf und machte die Augen klein. »Sie haben Glück gehabt! Es gibt heute Krebse!«
Er trat einen Schritt zurück, um die Wirkung zu beobachten. Sie war erstklassig. »Dazu ein Glas jungen Moselwein«, flüsterte er verzückt und trat noch einen Schritt zurück. Er erntete stürmischen Beifall, merkwürdigerweise auch von der Tür her. Dort erschien nämlich mit wildem gelbem Haar und sonnenverbrannter Nase gerade der grinsende Schädel des letzten Romantikers.
»Gottfried?« schrie Alfons auf, »du? Persönlich? Mensch, was für ein Tag! Komm an meine Brust!«
»Jetzt kannst du was erleben«, sagte ich zu Pat.
Die beiden stürzten sich in die Arme. Alfons klopfte Lenz auf den Rücken, daß es klang, als wäre nebenan eine Schmiede. »Hans«, schrie er dann zu dem Kellner hinüber,
»bring den Napoleon!«
Er schleppte Gottfried zur Theke. Der Kellner brachte eine große, verstaubte Flasche heran. Alfons schenkte zwei Gläser voll.
»Prost, Gottfried, du verdammter Schweinebraten!«
»Prost, Alfons, alter, guter Zuchthäusler!«
Beide tranken die Gläser auf einen Zug leer.
»Erstklassig!« sagte Gottfried. »Ein Kognak für Madonnen!«
»Eine Schande, ihn so 'runterzusaufen«, bestätigte Alfons.
»Aber wie soll man langsam trinken, wenn man sich freut!
Komm, wir nehmen noch einen!«
Er schenkte ein und hob das Glas. »Verfluchte, treulose Tomate, du!« Lenz lachte. »Mein alter, geliebter Alfons!«
Alfons bekam feuchte Augen. »Noch einen, Gottfried«,
sagte er bewegt.
»Immer los!« Lenz hielt ihm sein Glas hin. »Zu dem Kognak sage ich erst nein, wenn ich den Kopf nicht mehr vom Fußboden hochkriegen kann.«
»Das ist ein Wort!« Alfons schenkte das dritte Glas ein.
Etwas atemlos kam Lenz zurück an den Tisch. Er zog
seine Uhr.
»Zehn Minuten vor acht mit dem Citroen in der Werkstatt angekommen. Was sagt ihr dazu?«
»Ein Rekord«, erwiderte Pat. »Jupp soll leben! Ich werde ihm ebenfalls eine Schachtel Zigaretten stiften.«
»Und du kriegst dafür eine Portion Krebse extra!« erklärte Alfons, der Gottfried auf dem Fuße gefolgt war. Dann übergab er uns eine Art von Tischtüchern.
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