Drei Kameraden
Rosa. Was macht das Kleine?«
Sie lächelte mit all ihren Goldzähnen. »Unberufen, gut. Morgen gehe ich wieder hin. Habe diese Woche gute Kasse gehabt; den alten Böcken steckt das Frühjahr schon in den Knochen. Da bringe ich ihr ein neues Mäntelchen mit. Rote Wolle.«
»Rote Wolle ist der letzte Modeschrei.«
»Du bist ein Kavalier, Robby.«
»Wenn du dich da man nicht irrst. Komm, trink eins mit. Anisette, was?«
Sie nickte. Wir stießen an. »Sag mal, Rosa, was hältst du eigentlich von der Liebe?« fragte ich. »Du verstehst doch was davon.«
Sie brach in ein schallendes Gelächter aus. »Hör auf damit«, sagte sie dann. »Liebe! Ach, mein Arthur – wenn ich an den Lumpen denke, werde ich immer noch schwach in den Knien. Will dir was sagen, Robby, im Ernst gesprochen: Das menschliche Leben ist zu lang für die Liebe. Einfach zu lang. Das hat mir mein Arthur erklärt, als er abgehauen ist. Und das stimmt. Liebe ist wunderbar. Aber einem ist sie immer zu lang. Und der andere, der sitzt dann da und stiert. Stiert wie wahnsinnig.«
»Klar«, sagte ich. »Aber ohne Liebe ist man doch eigentlich auch bloß 'ne Leiche auf Urlaub.«
»Mach's wie ich«, erwiderte Rosa, »schaff dir ein Kind an. Da hast du was zum Lieben und hast deine Ruhe dabei.«
»Nicht dumm«, sagte ich. »Hat mir grade noch gefehlt.«
Rosa wiegte träumerisch den Kopf. »Was hab' ich von meinem Arthur für Schläge gekriegt – und trotzdem, wenn er jetzt hier 'reinkäme, die Melone so schief nach hinten auf dem Kopf –, Mensch, Junge, ich bibbere schon, wenn ich dran denke.«
»Wollen eins auf Arthurs Wohl trinken.«
Rosa lachte. »Der Hurenbock soll leben! Prost!«
Wir tranken aus. »Wiedersehen, Rosa. Gutes Geschäft heute abend!«
»Danke! Wiedersehen, Robby!«
Die Haustür klappte. »Hallo«, sagte Patrice Hollmann, »so tief in Gedanken?«
»Nein, gar nicht! Aber wie geht es Ihnen? Sind Sie wieder gesund? Was haben Sie denn gehabt?«
»Ach, nichts Besonderes. Erkältet und ein bißchen Fieber.«
Sie sah gar nicht krank und angegriffen aus, Im Gegenteil, – ihre Augen waren mir noch nie so groß und strahlend erschienen, ihr Gesicht war ein wenig gerötet, und ihre Bewegungen waren geschmeidig wie bei einem schmalen, schönen Tier.
»Sie sehen prachtvoll aus«, sagte ich. »Ganz gesund! Wir können eine Menge unternehmen.«
»Das wäre schön«, erwiderte sie. »Aber heute geht es nicht. Ich kann heute nicht.«
Ich starrte sie verständnislos an. »Sie können nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Leider nicht.«
Ich begriff immer noch nicht. Ich glaubte, sie hätte sich das mit meiner Bude anders überlegt und wollte nur nicht bei mir essen.
»Ich habe schon bei Ihnen angerufen«, sagte sie, »damit Sie nicht vergebens kämen. Aber Sie waren schon weggegangen.«
Jetzt verstand ich endlich. »Sie können wirklich nicht? Den ganzen Abend nicht?« fragte ich.
»Heute nicht. Ich muß irgendwohin. Leider habe ich es auch erst vor einer halben Stunde erfahren.«
»Können Sie das denn nicht verschieben?«
»Nein, das geht nicht.« Sie lächelte. »Es ist so etwas wie eine geschäftliche Sache.«
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Ich glaubte ihr kein Wort. Geschäftliche Sache – sie sah nicht nach geschäftlichen Sachen aus! Wahrscheinlich war es nur eine Ausrede. Sicher sogar. Was konnte man abends schon für geschäftliche Besprechungen haben? So was machte man vormittags! Und man erfuhr es auch nicht erst eine halbe Stunde vorher. Sie
wollte einfach nicht, das war alles.
Ich war auf eine geradezu kindische Weise enttäuscht. Jetzt spürte ich erst, wie sehr ich mich auf den Abend gefreut hatte. Ich ärgerte mich darüber, daß ich so enttäuscht war, und ich wollte nicht, daß sie es merkte. »Also schön«, sagte ich, »dann ist nichts zu machen. Auf Wiedersehen.«
Sie sah mich forschend an. »So eilig ist es nicht. Ich bin erst um neun verabredet. Wir können noch etwas Spazierengehen. Ich war die ganze Woche nicht draußen.«
»Gut«, sagte ich widerstrebend. Ich fühlte mich plötzlich müde und leer.
Wir gingen die Straße entlang. Der Abend war klargeworden, und die Sterne standen zwischen den Dächern. Wir kamen an einer Rasenanlage vorbei, auf der im Schatten ein paar Büsche standen. Patrice Hollmann blieb stehen. »Flieder«, sagte sie, »es riecht nach Flieder! Aber das ist doch ganz
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