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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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nicht...«
    Der Bäcker sah mich hilfesuchend an. Ich begriff – er hatte
    Angst, das Bild zu Hause bei dem schwarzen Luder aufzuhängen. Vielleicht war es auch Scheu vor der Toten, sie dahinzubringen. »Aber Ferdinand«, sagte ich, »das Bild kann doch ruhig noch hier hängenbleiben, wenn es bezahlt ist...«
     »Das natürlich...«
     Der Bäcker zog erleichtert sein Scheckbuch aus der Tasche. Die beiden gingen zum Tisch. »Vierhundert Mark Rest?« fragte der Bäcker.
     »Vierhundertzwanzig«, sagte Ferdinand, »einschließlich Rabatt. Wollen Sie eine Quittung?«
     »Ja«, erwiderte der Bäcker, »wegen der Ordnung.«
     Schweigend schrieben beide den Scheck und die Quittung aus. Ich blieb am Fenster stehen und sah mich um. Im halben Licht der Dämmerung schimmerten rings an den Wänden die Gesichter der nicht abgeholten und nicht bezahlten Porträts in ihren goldenen Rahmen. Sie sahen aus wie eine gespenstische Versammlung aus dem Jenseits, und es schien, als wären alle die starren Augen auf das Bild am Fenster gerichtet, das jetzt zu ihnen kommen sollte und über das der Abend noch einen letzten Glanz von Leben breitete. Es war eine sonderbare Stimmung – die beiden gebückten, schreibenden Gestalten am Tisch, die Schatten und die vielen stillen Bilder.
     Der Bäcker kam zum Fenster zurück. Seine rotgeäderten Augen wirkten wie gläserne Kugeln, sein Mund war halb offen, die Unterlippe hing herab, und man sah die fleckigen Zähne – es war lächerlich und traurig, wie er so dastand. In der Etage über dem Atelier fing jemand an, Klavier zu spielen, irgendeine Fingerübung, immer dieselbe Tonfolge. Es klang dünn und quälend. Ferdinand Grau war am Tisch stehengeblieben. Er zündete sich eine Zigarre an. Das Licht des Streichholzes beleuchtete sein Gesicht. Der halbdunkle Raum erschien ungeheuer groß und sehr blau durch den kleinen rötlichen Schein.
     »Kann man an dem Bild noch etwas ändern?« fragte der Bäcker.
     »Was denn?«
     Ferdinand kam heran. Der Bäcker zeigte auf den Schmuck. »Kann man das da wieder wegmachen?«
     Es war die mächtige goldene Brosche, die er damals, bei der Bestellung, extra verlangt hatte. »Gewiß«, sagte Ferdinand, »sie stört sogar das Gesicht. Das Bild gewinnt, wenn sie wegkommt.«
     »Das meine ich auch.« Er druckste eine Weile herum. »Was kostet es denn?«
     Ferdinand und ich warfen uns einen Blick zu. »Es kostet gar nichts«, sagte Ferdinand gutmütig, »im Gegenteil, eigentlich bekämen Sie noch etwas heraus. Es ist ja dann weniger drauf.«
     Der Bäcker hob überrascht den Kopf. Es sah einen Augenblick so aus, als wollte er darauf eingehen. Aber dann sagte er mit einem Entschluß: »Ach nein, das lassen Sie nur – Sie haben es doch malen müssen...«
     »Das ist auch wieder wahr...«
     Wir gingen. Auf der Treppe, als ich den gebeugten Rücken vor mir sah, war ich etwas gerührt über den Bäcker und die Tatsache, daß ihm bei dem Schwindel mit der Brosche das Gewissen geschlagen hatte. Es paßte mir nicht recht, ihm in dieser Stimmung mit dem Cadillac zu Leibe gehen zu müssen. Doch dann dachte ich daran, daß ein Teil seiner gewiß ehrlichen Trauer um die tote Frau sicher nur daher kam, weil die schwarze Person zu Hause ein solches Luder war, und ich wurde wieder ganz frisch.
     »Wir können ja bei mir zu Hause die Sache besprechen«, sagte der Bäcker draußen.
     Ich nickte. Es paßte mir sehr gut so. Der Bäcker glaubte zwar, er wäre in seinen vier Wänden stärker – ich aber rechnete mit der Schwarzen als Unterstützung.
     Sie erwartete uns bereits an der Tür. »Gratuliere herzlichst«, sagte ich, bevor der Bäcker den Mund auftun konnte.
     »Wozu?« fragte sie rasch, mit flinken Augen.
     »Zu Ihrem Cadillac –«, erwiderte ich unverfroren.
     »Schatzi!« Mit einem Satz hing sie dem Bäcker am Hals.
     »Aber das ist ja noch gar nicht...« Er versuchte sich loszumachen und Erklärungen abzugeben. Sie aber hielt ihn fest und drehte sich zappelnd mit ihm im Kreise, damit er nicht zu Worte kam. Abwechselnd sah ich über seiner Schulter ihre schlaue, blinzelnde Fratze und über ihrer Schulter seinen vorwurfsvollen, vergeblich protestierenden Mehlwurmkopf.
     Endlich gelang es ihm, sich frei zu machen. »Wir sind ja noch gar nicht soweit«, prustete er.
     »Doch«, sagte ich mit großer Herzlichkeit, »wir sind so weit! Ich nehme es auf meine Kappe, die letzten fünfhundert Mark herunterzuhandeln. Sie zahlen keinen Pfennig mehr als

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