Drei Kameraden
erstaunt.
»Zu Ihrem Freund, dem Maler. Das Bild ist fertig.«
»Ach so, zu Ferdinand Grau...«
Er nickte. »Kommen Sie doch mit. Wir können dann nachher auch über den Wagen sprechen.«
Es schien ihm etwas daran zu liegen, nicht allein zu gehen. Mir dagegen lag ebensoviel daran, ihn nicht mehr allein zu lassen. »Gut«, sagte ich deshalb, »es ist ja ziemlich weit – wir fahren am besten gleich los.«
Ferdinand Grau sah schlecht aus. Sein Gesicht war graugrün, verschattet und verquollen. Er begrüßte uns an der Tür zum Atelier. Der Bäcker sah ihn kaum an. Er war merkwürdig unsicher und aufgeregt. »Wo ist es?« fragte er sofort.
Ferdinand zeigte mit der Hand zum Fenster. Das Bild lehnte dort auf einer Staffelei. Der Bäcker ging rasch hinein und blieb dann ohne Bewegung dicht vor dem Bilde stehen. Nach einer Weile nahm er den Hut ab. Er war so eilig gewesen, daß er das vorher ganz vergessen hatte.
Ferdinand und ich blieben an der Tür stehen. »Wie geht es, Ferdinand?« fragte ich.
Er machte eine vage Handbewegung.
»Ist was los?« – »Was soll los sein?«
»Du siehst schlecht aus...«
»Weiter nichts?«
»Nein«, sagte ich, »weiter nichts...«
Er legte mir seine große Hand auf die Schulter und lächelte mit einem Gesicht wie ein alter Bernhardiner.
Wir warteten noch eine Zeitlang. Dann gingen wir zu dem Bäcker hinüber. Ich war überrascht, als ich das Bild sah. Der Kopf war sehr gut geworden. Ferdinand hatte nach dem Foto von der Hochzeit und der zweiten, sehr verhärmten Aufnahme eine noch junge Frau gemalt, die mit ernsten, etwas ratlosen Augen vor sich hin schaute.
»Ja«, sagte der Bäcker, ohne sich umzudrehen, »das ist sie.« Er sagte das mehr für sich, und es schien mir, als wüßte er nicht einmal, daß er es sagte.
»Haben Sie genug Licht?« fragte Ferdinand.
Der Bäcker antwortete nicht.
Ferdinand ging heran, um die Staffelei etwas herumzurücken. Dann trat er zurück und nickte mir zu, mit in das kleine Zimmer neben dem Atelier zu kommen. »Das hätte ich nie gedacht«, sagte er verwundert, »die Rabattmaschine hat's erwischt! Er heult...«
»Einmal erwischt es jeden«, erwiderte ich. »Für den da ist es nur zu spät...«
»Zu spät«, sagte Ferdinand, »immer zu spät. Das ist nun mal so im Leben, Robby.«
Er ging langsam hin und her. »Wir wollen ihn ruhig eine Zeitlang da drüben für sich lassen. Könnten inzwischen eine Partie Schach spielen.«
»Du hast ein goldenes Gemüt«, sagte ich.
Er blieb stehen. »Wieso? Nützt dem nicht und schadet ihm nicht. Wenn man immer an so was denken wollte, dürfte kein Mensch auf der Welt jemals mehr lachen, Robby...«
»Da hast du wieder recht«, sagte ich, »also machen wir rasch eine Partie.«
Wir stellten die Figuren auf und begannen. Ferdinand gewann ziemlich mühelos. Er setzte mich mit Turm und Läufer matt, ohne die Dame zu gebrauchen. »Allerhand«, sagte ich, »du siehst aus, als ob du drei Tage nicht geschlafen hättest. Dabei spielst du wie ein Seeräuber.«
»Ich spiele immer gut, wenn ich melancholisch bin«, erwiderte Ferdinand.
»Weshalb bist du denn melancholisch?«
»Ach, nur so. Weil es dunkel wird. Ein ordentlicher Mensch ist immer melancholisch, wenn es Abend wird. Nicht aus irgendeinem Grunde. Einfach nur so ganz allgemein...«
»Aber nur, wenn er allein ist«, sagte ich.
»Natürlich. Die Stunde der Schatten. Die Stunde der Einsamkeit. Die Stunde, wo der Kognak am besten schmeckt.«
Er holte eine Flasche und zwei Gläser. »Müssen wir nicht zu dem Bäcker 'rein?« fragte ich.
»Gleich.« Er schenkte ein. »Prost, Robby! Weil wir alle mal krepieren müssen!«
»Prost, Ferdinand! Weil wir einstweilen noch da sind!«
»Na«, sagte er, »manchmal hätte nicht viel gefehlt. Wollen auch darauf noch einen nehmen!«
»Gut.«
Wir gingen zurück ins Atelier. Es war dunkler geworden. Der Bäcker stand immer noch mit eingezogenen Schultern vor dem Bilde. Er sah jämmerlich verloren aus in dem großen, kahlen Raum, und es kam mir vor, als wäre er kleiner geworden.
»Soll ich Ihnen das Bild einpacken?« fragte Ferdinand.
Er schreckte auf. »Nein...«
»Dann werde ich es Ihnen morgen schicken.«
»Kann es nicht noch hierbleiben?« fragte der Bäcker zögernd.
»Warum denn?« erwiderte Ferdinand erstaunt und kam näher. »Gefällt es Ihnen nicht?«
»Doch – aber ich möchte es gern noch hierlassen...«
»Das verstehe ich
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