Drei Männer im Schnee
verschwand. Der Geheimrat griff erneut zur Zeitung. Frau Kunkel und Johann blickten gespannt zur Portiersloge hinüber.
Kurz darauf kam Onkel Polter an. »Ich höre, daß Sie sehr beschäftigt sind«, meinte er mürrisch. Tobler nickte gleichmütig und las weiter.
»Wie lange kann das dauern?« fragte der Portier und bekam rote Backen. »Schwer zu sagen«, meinte Tobler. »Ich bin erst beim Leitartikel.«
Der Portier schwitzte schon. »Die Hoteldirektion wollte Sie um eine kleine Gefälligkeit bitten.«
»Oh, darf ich endlich den Schornstein fegen?«
»Sie sollen für ein paar Stunden die Skihalle beaufsichtigen. Bis die letzten Gäste herein sind. Der Sepp ist verhindert.«
»Hat er die Masern?« fragte der andere. »Sollte ihn das Kind der Botenfrau angesteckt haben?« Der Portier knirschte mit den Zähnen.
»Die Gründe tun nichts zur Sache. Dürfen wir auf Sie zählen?« Herr Schulze schüttelte den Kopf. Er schien die Absage selber zu bedauern. »Ich mag heute nicht. Vielleicht ein andermal.«
Die Umsitzenden spitzten die Ohren. Frau Casparius, die an einem der Nebentische saß, reckte den Hals. Onkel Polter senkte die Stimme. »Ist das Ihr letztes Wort?«
»In der Tat«, versicherte Schulze. »Sie wissen, wie gern ich Ihrem offensichtlichen Personalmangel abhelfe. Aber heute bin ich nicht in der richtigen Stimmung. Ich glaube, das Barometer fällt. Ich bin ein sensibler Mensch. Guten Abend!«
Der Portier trat noch einen Schritt näher. »Folgen Sie mir endlich!«
Hierbei legte er seine Rechte auf Schulzes Schulter. »Ein bißchen plötzlich, bitte!« Da aber drehte sich Schulze herum und schlug dem Portier energisch auf die Finger. »Nehmen Sie sofort die Hand von meinem Anzug!« fügte er drohend hinzu. »Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß ich jähzornig bin.« Der Portier bekam Fäuste. Sein Atem pfiff.
Er erinnerte an eine Kaffeemaschine, die den Siedepunkt erreicht hat. Aber er sagte nur: »Wir sprechen uns noch.« Dann ging er.
An den Nebentischen wurde erregt geflüstert. Die Augen der Bremer Blondine schillerten giftig. »Hätten Sie ihm doch eine geklebt«, meinte Tante Julchen. »Es ist immer dasselbe, Herr Geheimrat. Sie sind zu gutmütig.«
»Ruhe!« flüsterte Tobler. »Die Kinder kommen.«
Als sich Doktor Hagedorn fürs Abendessen umkleidete, brachte der Liftboy einen Einschreibebrief und, mit Empfehlungen vom Portier, ein paar ausländische Briefmarken. Fritz quittierte. Dann öffnete er den Umschlag. Wer schickte ihm denn Einschreibebriefe nach Bruckbeuren? Er stolperte lesend über den Teppich. Er fiel aufs Sofa, mitten zwischen die drei spielenden Katzen, und starrte hypnotisiert auf das Schreiben. Dann drehte er das Kuvert um. Ein Stück Papier rutschte heraus. Ein Scheck über fünfhundert Mark! Er fuhr sich aufgeregt durchs Haar. Eine der Katzen kletterte auf seine Schulter, rieb ihren Kopf an seinem Ohr und schnurrte. Er stand auf, hielt sich, weil ihm schwindelte, am Tisch fest und trat langsam zum Fenster. Vor ihm lagen der verschneite Park, die spiegelglatte Eisbahn, die Skihalle mit dem weißen Dach. Ein paar Liegestühle waren vergessen worden. Hagedorn sah nichts von alledem.
Die Katze krallte sich ängstlich in dem blauen Jackett fest. Sie machte einen Buckel. Er lief kreuz und quer durchs Zimmer. Sie miaute kläglich. Er nahm sie von seiner Schulter, setzte sie auf den Rauchtisch und ging weiter. Er bückte sich, nahm den Scheck hoch, den Brief auch. Dann sagte er: »Nun ist der Bart ab!« Etwas Passenderes fiel ihm nicht ein.
Plötzlich rannte er aus dem Zimmer. Im Korridor begegnete ihm das Stubenmädchen. Sie blickte ihn lächelnd an, wünschte guten Abend und fragte: »Haben der Herr Doktor absichtlich keine Krawatte umgebunden?«
Erblieb stehen. »Wie bitte? Ach so. Nein. Danke schön.« Er ging in seine Gemächer zurück. Hier begann er zu pfeifen. Etwas später begab er sich, die Tür weit offen lassend, zum Portier hinunter und verlangte ein Telegrammformular.
»Entschuldigung, Herr Doktor. Haben Sie absichtlich keine Krawatte umgebunden?«
»Wieso?« fragte Hagedorn. »Ich war doch extra deswegen noch einmal in meinem Zimmer?« Er griff sich an den Hemdkragen und schüttelte den Kopf. »Tatsächlich! Na, erst muß ich depeschieren.«
Er beugte sich über das Formular und adressierte es an: »Fleischerei Kuchenbuch, Charlottenburg, Mommsenstraße 7.« Dann schrieb er:
»Anrufe Dienstag 10 Uhr stop erbitte Mutter ans Telefon stop vorbereitet
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