Drei sind einer zuviel
einen über Furchen und Steine balancierenden Radfahrer,
luden sie ihn ab und warfen ihn hinters nächste Gebüsch oder in die
hochblühenden Wiesen. Ein Glück, daß sie noch nicht gemäht waren.
Lerchenzwitschern, Blätterrauschen, das
rhythmische Quietschen und Knarren des Leiterwagens und ihre friedlichen,
halblauten Jungenstimmen...
»Was glaubst, wie lang dein Vater sitzen muß,
Andi?«
Abwehrendes »Weiß nicht«.
»Ob dein Vater was von dem Geld abgekriegt hat,
das wo sie geraubt haben? Was meinst?«
»Will ich gar nicht wissen!«
»Mir
schon«, sagte Fonsä. »Aber viel kann’s nicht sein — wo er doch nur indirekt
beteiligt war.«
»Halt
— stopp«, rief Loisl von rückwärts. »Da ist was mit dem Hinterradl.«
Sie hielten an und schauten nach. Es war
sozusagen ab.
Während sie die Karre reparierten, ging über den
sanften bewaldeten Höhenzügen die Sonne unter. Dann kam das Ende durch den Wald
— rauf und runter. Da ging das Rad wieder ab. Sie ließen den Wagen stehen und
trugen von nun an Billy the Kid. Sie trugen ihn wie einen Besoffenen — einer
griff ihm unter die Arme, zwei andere hatten je ein Bein. Und dabei immer die
Angst, es könnte ihnen einer begegnen und dumme Fragen stellen. Der Fußweg vom
Hiebler- zum Schmalzlerhof dauerte im allgemeinen eine gute halbe Stunde. Für
den Schleichweg mit einem unhandlichen Gefangenen und einem altersschwachen
Leiterwagen hatten sie inklusive Reparatur anderthalb Stunden gebraucht.
Sie robbten sich von hinten an das Gehöft heran,
zogen die Säcke von ihrem Opfer und stellten es gegen die Stallwand.
»Billy se Kind — wir geben dir hiermit die
Freiheit zurück!«
Dann schlichen sie zum geöffneten Küchenfenster.
Wo sie schon einmal hier waren, wollten sie wenigstens sehen, wie der Lehrer
und der Architekt mit der gemeinsamen Braut lebten.
Die beiden Männer saßen am Tisch, auf dem eine
Lampe brannte. Der Lehrer popelte an der Nase — das hätten sie nicht von ihm
gedacht. Die Braut trug das Essen auf.
»Das riecht wie gestern«, schnüffelte Peter.
»O nein, gestern war es Fiaker-Gulasch, heute
ist es ungarisches.«
»Aha«, sagte Benedikt.
Peter sah in die Schüssel. »Und was ist es
wirklich?«
»Das Hundefutter, das euch Frau Zwicknagel
eingepackt hat. Es war soviel. Ich kann es doch nicht verkommen lassen.«
»Mei, san die arm«, flüsterte Fonsä erschüttert.
»Die fressen Hundefutter.«
Dann hörten sie Lumpi knurren.
»Da ist wer«, sagte Karlchen und ließ ihn
hinaus. Die Buben stolperten wild in die Dämmerung hinein, gefolgt vom
kläffenden Dackel. Weil er aber so fett war und so feige, gab er die Verfolgung
bereits am Waldrand auf und trabte zum Haus zurück.
Jetzt stand den vier Westernhelden noch die
Heimkehr bevor.
Keiner hatte gesagt, daß er erst gegen neun Uhr
zurückkommen würde.
»Du hast’s gut, Andi. Dein Vater muß einsitzen.
Auf dich wartet nur deine Mutter. Aber auf uns —!« Fonsä wechselte mit seinem Bruder
einen schwerwiegenden Blick. Auch Berti Hiebler sah väterliche Brutalitäten
voraus.
So geschah etwas, womit Andi Anders nicht mal in
seinen kühnsten Träumen gerechnet hatte: Seine drei besten Freunde wünschten
sich an diesem Abend, daß ihre Väter auch einsitzen müßten.
Als Karlchen vorm Schlafengehen noch mal den
Hund herausließ, entdeckte sie Herrn Müller-Mallersdorf — zerrupft, zerzaust,
mit abgestoßener Nase.
»Der sieht ja aus wie ’n Penner«, sagte Peter,
als er ihn hereintrug. »Wo der wohl war!«
»Auf alle Fälle im Heu«, sagte Karlchen und
holte eine Kleiderbürste.
»Schade, daß er nichts erzählen kann.«
Dank Frau Zwicknagels resolutem Eingreifen
arbeitete Frau Anders wieder als Verkäuferin. Und wehe, es wagte eine im
Metzgerladen den Regensburger Bankraub auch nur zu erwähnen, dann gab es Zunder
über den Ladentisch. Und zähes Fleisch.
Frau Zwicknagel hatte das Sagen im Ort. Gerade
die Frau vom Bürgermeister ließ sie noch ausre-den.
Sie war nicht nur eine resolute, sondern auch
eine sehr appetitliche, resche Person und warmherzig. Benedikt war nicht nur in
ihren Schweinsbraten verliebt.
Und Peter hatte nach der Anders-Geschichte zum
erstenmal ein Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Ort, in den er nicht freiwillig
gekommen war. Er hatte aktiv in seinen Tagesablauf eingreifen können, hatte
Erfolg gehabt — und kam nun nicht mehr nur in den Nebeler »Klatschspalten«
vor... Man grüßte ihn plötzlich ganz anders auf der Straße. Viele grüßten
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