Drei Tage voller Leidenschaft
war und es schien, als schliefen alle Bewohner, ging Waldemar Forseus vorsichtig durch den Häuserschatten in den Wirtschaftshof, schloß die Stalltür auf und stellte das Tablett auf den Boden neben seine Frau, die immer noch ohnmächtig war.
Ehe er sich wieder fortschlich, zog er ein kleines Fläschchen aus der Westentasche und goß die Hälfte der Flüssigkeit in das Weinglas.
Siebtes Kapitel
Die notwendige Entscheidung
Alisa kam in den frühen Morgenstunden erst wieder zu sich und blieb einen Moment mit geschlossenen Augen liegen, ehe sie eine abgrundtiefe, hoffnungslose Verzweiflung überwältigte, die sie fast zu schmecken schien. Dann zwang sie die Lider auf, sah das knotige Seil am Haken an der Wand und wurde von einem so ungeheuren Entsetzen ergriffen, daß es ihr den Magen umdrehte. Ihre einzige kurze Chance auf Glück war vorbei – von ihren eigenen Worten zunichte gemacht. Die Zukunft bot ihr nun nichts außer Schrecken und endlosem Leid. Das Leben lag ohne jede Hoffnung vor ihr.
Sie fühlte sich sehr schwach, und als sie sich zum Sitzen aufrichtete, bohrte sich ein scharfer Schmerz in ihre Schläfen. Als sie das Tablett vor sich sah, griff Alisa nach dem Glas, um ihre ausgetrocknete Kehle zu befeuchten, aber das Essen ließ sie unberührt stehen.
Fast sofort überkam sie eine ungeheure Schläfrigkeit, aber sie hielt dies für eine natürliche Folge ihres gemarterten Körpers, der dringend Ruhe brauchte. Ihre violetten Augen fielen zu, und ihr Atem verlangsamte sich zu den schweren, langsamen Zügen eines Drogenrausches.
Maria hatte Forseus’ Lügen keinen einzigen Moment geglaubt und sich hilfesuchend an Arni gewandt, um Alisa aufzuspüren. Rakeli würde die wachsende Unruhe Katelinas nicht lange besänftigen können.
Am nächsten Morgen kam Arni zur Dienstbotentreppe und berichtete Maria, was er gefunden hatte. Er hatte Forseus im Morgengrauen gesehen, wie er aus dem Haus trat und auf direktem Weg zum Stall ging, ihn betrat und kurz darauf wieder erschien. Als Forseus wieder auftauchte, hatte er sorgfältig die Tür wieder verschlossen, einen Stalljungen gebeten, sein Pferd zu satteln und war nach Viipuri geritten. Arni hatte dies nach Befragung des Jungen herausgefunden. Als Arni durch die Ritzen in den Holzwänden des Stalls gespäht hatte, konnte er die am Boden liegende, offensichtlich schlafende Gestalt Alisas ausmachen. Als Maria dies hörte, wurde sie noch besorgter.
»Was sollen wir nur tun? Er hat sie wieder geschlagen, da können wir sicher sein.« Einer Dienerin, die außerdem die Freundin ihrer Herrin war, entging so leicht nichts. »Wir müssen sie da rausbekommen. Madame Alisa wollte schon lange fort. Wir können nun nicht länger warten. Sollen wir es wagen, Forseus Pferde zu stehlen und zu fliehen, solange er noch in Viipuri ist?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Arni zögernd. »Forseus’ Arm ist lang, und mit seinem Geld erreicht er alles. Ich meine, wir sollten uns an Prinz Kuzan wenden. Er ist viel mächtiger als Forseus und könnte Alisa schützen, wenn unser Beistand nicht viel ausrichtet.«
Maria, Arni und Rakeli, Alisas Diener aus dem Elternhaus, hatten Alisa in all den Jahren, seit sie zur Ehe mit Forseus gezwungen worden war, so gut sie es vermochten geschützt und ihr stets geholfen. Sie hatten ihre Loyalität stets vor Forseus verborgen, aus Angst daß dieser sie entlassen würde, aber einigen Kummer in Alisas Leben ausgleichen können.
Sie wußten über die Beziehung zu Prinz Kuzan Bescheid, weil Maria darauf bestanden hatte, Alisa an jenem Morgen zu folgen, als die Kutsche von Kuzan gekommen war, um zu sehen, daß die Herrin nicht in Gefahr war. Nachdem Arni die zärtliche Versöhnung auf der Waldwiese überzeugt hatte, konnte er Maria versichern, der Prinz sei kein gefährlicher Schurke, der Alisa schaden wollte. Im Gegenteil, er hatte ihrer jungen Herrin außerordentliches Glück gebracht, und ihre treuen Diener waren insgeheim froh zu sehen, daß Alisa nach Jahren der stummen Verzweiflung wieder angefangen hatte, zu singen. Wenn es um die Moral ging, so war es in ihren Augen das unmoralischste, ein fünfzehnjähriges Ding zur Ehe mit einem alten Mann zu zwingen. Diese Ehe war eine Schande aller Bindungen. Sie war obszön und ekelhaft.
»Du hast recht, Arni«, rief Maria mit aufflackernder Hoffnung. »Geh rasch zu Prinz Kuzan und sag ihm Bescheid. Er wird es nicht zulassen, daß unserer Alisa etwas zustößt.«
Arni rannte die Treppe hinaus zum Stall,
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