Drei Tage voller Leidenschaft
natürlichen Gefühle einzugestehen.«
Er starrte sie wütend an. Dann holte er tief Luft und knurrte: »Du hast gewonnen. Ich werde morgen abreisen. Du kannst entweder hierbleiben oder gehen. Das ist mir egal. Ich werde dich nicht weiter belästigen. Nimm deinen verdammten Stolz und deine Würde. Damit bist du hoffentlich zufrieden. Iwan wird ein Konto auf der Petersburger Bank für unser Kind einrichten. Ich denke, du wirst bald einen willigen Mann finden, der deinem unerträglichen Ego schmeichelt.« Dann drehte ihr Nikki den Rücken zu und schlief ein.
Alisa lag wie erstarrt neben ihm. Wie konnte er es wagen? Wie konnte er so gefühllos sein? Er würde sie morgen verlassen und konnte schlafen, als befände sich die ganze Welt ringsum in vollständiger Harmonie.
Alisa wälzte sich unruhig in den Kissen, während ihr herrischer Stolz gegen ihre Liebe zu Nikki kämpfte. Wie konnte sie einen Mann lieben, der Frauen bloß benutzte, der kluge Frauen lächerlich machte und bekämpfte, der irgendwann eines Tages mit einem gefügigen jungen Ding eine Familie gründen wollte. Wie konnte sie ihn bloß lieben? Hatte sie ihren Verstand verloren? Sie war für ihn nicht mehr als all die anderen Frauen, die ihm auf den Fersen waren, seit er zum Mann gereift war. Aber wenn er sie verließ, würde sie untröstlich sein. Das Leben würde ihr keine Freude mehr bieten, keinen Sinn; ihre Zukunft würde sich endlos und leer vor ihr ausdehnen. War ihr Stolz diese Verzweiflung und dieses Unglück wert? fragte sie sich. War ihr Körper so unverletzlich und kostbar, daß sie ihn nicht frei dem Mann schenken konnte, den sie liebte? Aber er liebte sie nicht, weinte sie jämmerlich. Sie brauchte es, daß er sie liebte.
Doch er hatte ihr so viel gegeben: Die liebevolle Zuneigung zu Katelina, unglaublich kostbare Geschenke, Zärtlichkeit in der Liebe. Reichte das nicht? Mußte sie darüber hinaus seine Unabhängigkeit anketten? Bat sie um mehr, als er ihr geben konnte? Vielleicht reichte es ja, wenn er nur ihre Leidenschaft wollte.
Dann flüsterte es in ihr teuflisch: Hatte sie denn ihren Verstand völlig verloren? Hatte sie keinen Stolz mehr? Doch darauf mußte sie niedergeschlagen gestehen: Nein. Bei Nikki hatte sie keinen Stolz.
Was nützte ihr der Stolz auch, wenn sie Nikki verlor? fragte sie sich mit schmerzvoller Offenheit. Sie liebte ihn doch.
Im ersten Morgengrauen erkannte sie, daß sie Nikki bedingungslos wollte, zu allen Bedingungen, die er ihr stellte. Endlich fiel sie in unruhigen Schlummer, der sie von den qualvollen Gedanken erlöste, und sie träumte, wie Dämonen sie aus Nikkis Armen rissen und in dunkle, einsame Ödlande trugen, in denen sie verzweifelt und allein saß. Das helle Tageslicht brachte keine Erleichterung von den Alpträumen, allerdings nicht von der Angst, die diese ausgelöst hatte.
Alisa stand auf, als die Sonne gerade eben durch die Leinenvorhänge drang, und war entschlossen, Nikki bei sich zu behalten, falls sie es konnte. Vor dem Waschstand, als sie sich frischmachte, klapperte und plätscherte sie bewußt ganz laut mit den Utensilien.
Als Nikkis regelmäßiger Atem vom Schlafrhythmus zum Wachen überging, trocknete sie sich die Hände ab, hob langsam das Hemd und zog es sich verführerisch über den Kopf. Dabei hob sie die Arme hoch über den Kopf und reckte sich träge wie eine Katze in der Sonne. Die frühmorgendlichen Sonnenstrahlen, die durch den groben Leinenstoff fielen, badeten ihren Körper in einem weichen, goldenen, schimmernden Schein.
Nikki sah ihr zu und fand sie in dieser Pose ebenso schön wie die Nymphen Rossos in der Galerie in Fontainebleau. Sie war geschmeidig und sinnlich, die Sonne vergoldete ihre weichen Rundungen an Brust, Hüften und Schenkeln, wärmten ihre reinweiße Haut und betonten ihre reife Weiblichkeit. Bei Gott, wollte sie ihn etwa bewußt verführen? Er stählte sich gegen diese Provokation.
»Das klappt nicht«, sagte er tonlos, und die schlichte Bemerkung klang in dem stillen Raum fast bedrohlich. »Ich fahre heute morgen ab.« Dann hielt er kurz inne und ließ den Blick abschätzend über ihre üppigen Kurven gleiten. »Mir gefällt es außerdem nicht, wenn du dich wie eine Hure aufführst«, fügte er kalt hinzu.
Alisa stemmte die Hände in die Hüften und schürzte schmollend den Mund. Dann murmelte sie ebenso sanft wie ihr violetter Blick war, der ihn umfing: »Du sagst mir doch immer, ich müßte es lernen, meine Leidenschaft anzunehmen und meine
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