Drei Unzen Agonie
genug. Deshalb steckte ich die Zigarette, die ich mir hatte
anzünden wollen, wieder ein. Ich wußte, daß ich es mir nicht erlauben durfte,
über meinen Plan nachzudenken, sonst hätte meine Vernunft mir geraten, ihn
fallenzulassen. Ich stopfte die drei Glühbirnen in die Jackentaschen und sah
Cindy an.
»Ducken Sie sich hinter die
Couch. Fangen Sie an zu schreien, wenn ich es Ihnen sage, und seien Sie sofort
still, wenn Sie einen Knall hören. Wenn sich die Stahltür öffnet, fangen Sie
wieder an und schreien so lange, bis ich Ihnen sage, daß Sie aufhören dürfen .«
»Okay.« Ihr Gesicht drückte
Zweifel aus. »Wissen Sie wirklich, was Sie tun ?«
Ich wartete, bis sie sich
hinter der Couch niedergekauert hatte. Dann nahm ich das Kabel zur Hand. Ich
hielt das Ende mit den nackten Drähten vorsichtig an der Isolierung und schob
den Stecker in die Dose. Dann stellte ich mich anderthalb Meter von der
Stahltür entfernt hin, nahm eine Glühbirne aus der Tasche und hielt sie in der
rechten Hand.
»Okay«, brummte ich. »Schreien
Sie .«
Nichts geschah. Ich drehte mich
um und sah Cindys Kopf hinter der Couch auftauchen.
»Ich weiß, es ist lächerlich«,
stammelte sie, »aber ich kann einfach nicht auf Kommando schreien .«
»Wovor haben Sie mehr Angst als
vor sonst irgendwas auf der Welt ?« fragte ich.
»Vor Schlangen«, erwiderte sie
prompt.
»Ich wollte ja nichts sagen«,
erklärte ich und sah sie mit unheilvoller Miene an, »aber direkt vor Ihrem Fuß
kriecht eine Klapperschlange .«
Ihre Augen wurden
schreckensweit, ihr Mund öffnete sich. Sie stieß einen markerschütternden
Schrei aus. Ich wartete, bis der Schrei langsam verebbte, dann warf ich die
Glühbirne mit aller Wucht gegen die Tür. Mit befriedigendem Knall zerschellte
sie an dem Stahl. Cindys Schrei verklang in einem angstvollen Röcheln. Ich war
mit ein paar Schritten neben der Tür und preßte mich eng an die Wand, während
ich eine zweite Glühbirne aus der Tasche holte.
Wenn auch der Knall gewiß durch
den Stahl gedämpft wurde, mußte man ihn im Büro auf der anderen Seite gehört
haben. Cindys Schrei, gefolgt von einem Geräusch, das wie ein Schuß klang — und
dann Totenstille. Das mußte doch jemanden herbeilocken! Ich wartete drei
qualvolle Sekunden. Dann öffnete sich die Stahltür langsam. Kurz bevor sie ganz
aufschwang, preßte ich die beiden nackten Drähte des Kabels gegen den Stahl
neben mir.
Ein Schrei schrillte zur Decke,
eine bläulich-weiße Stichflamme schoß empor. Dann taumelte Petes massiger
Körper über die Schwelle und stürzte krachend zu Boden. Ich warf die Glühbirne
gegen das Wandgemälde, wo sie mit einem Knall zersplitterte, holte die letzte
Birne heraus und bombardierte das Wandgemälde abermals. Daraufhin stürzte Augie
mit gezogener Waffe ins Zimmer.
Augie befand sich mir gegenüber
im Nachteil. Das Zimmer war dunkel, und er wußte nicht, was eigentlich vorging.
Als er hereinstürzte, erinnerte sich Cindy, daß ein Encore fällig war, und begann wieder aus vollen Lungen zu schreien. Das gab Augie
einen Hinweis. Offenbar befand sich jemand hinter der Couch. Er machte sich auf
Zehenspitzen an das Sofa heran, den Revolver in der Hand. Mir bereitete es
nicht die geringste Mühe, leise hinter ihm herzuschleichen und ihm, als ich
nahe genug war, einen Handkantenschlag in den Nacken zu versetzen. Er sank
vornüber auf die Couch wie ein gefällter Baum. Ich riß ihm den Revolver aus der
schlaffen Hand, sprang über den leblos daliegenden Pete und rannte ins Büro.
Slessor saß noch immer hinter
seinem Schreibtisch. Sein Mund klappte auf, als er mich sah, seine rechte Hand
fuhr zur Schreibtischschublade. Dann erblickte er die Waffe in meiner Hand und
überlegte es sich anders. Ich blieb hinter der Bar stehen und rief nach Cindy.
Einen Augenblick später stand sie neben mir. Während ich den Revolver noch
immer auf Slessor gerichtet hielt, machte ich langsam einige Schritte nach
rückwärts und zog die Stahltür hinter mir zu. Ich sperrte ab und verstaute den
Schlüssel in meiner Tasche. Endlich fühlte ich mich ein wenig wohler.
»Was, zum Teufel, ist denn da
drin passiert ?« flüsterte Slessor.
»Das ist die beste Frage des
ganzen Abends«, stellte Cindy mit schwankender Stimme fest.
Ich grinste Slessor zufrieden
an. »Das herauszufinden, sollten wir gerechterweise Ihnen überlassen .«
Er warf einen scheuen Blick auf
die Waffe in meiner Hand, stand dann auf und kam auf die Bar zu. Ich gab Cindy
den
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