Drei Worte, die das Glueck bedeuten
bestand ja immer noch die Möglichkeit, dass Deke es sich anders überlegte und gar nicht kam. Aber falls doch, wollte sie ihn lieber nicht im Nachthemd empfangen. Also schlüpfte sie in Jeans und einen tannengrünen Kaschmirpulli, steckte die Füße in Mokassins und ging wieder nach unten.
Gabriel hatte den Film inzwischen wieder angehalten und war gerade in der Küche, um in der Mikrowelle Popcorn zuzubereiten. Als Erin hereinkam, musterte er sie von oben bis unten. Offenbar wunderte er sich darüber, dass sie sich noch nicht fürs Bett umgezogen hatte.
„Vielleicht kommt Deke Malone gleich noch vorbei“, erklärte sie und bemühte sich, es beiläufig klingen zu lassen. Sie holte eine Schüssel für das Popcorn aus dem Schrank. „Das ist der Mann, zu dessen Ausstellungseröffnung ich heute gefahren bin.“
Gabriel sagte nichts darauf. Sophie hätte ihr schon längst ein Loch in den Bauch gefragt.
„Wir sind alte Freunde“, fuhr Erin fort und dachte, dass Gabriel durch sein Schweigen wahrscheinlich mehr aus ihr herauskitzelte als Sophie mit ihren Kreuzverhören. „Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, also wollten wir uns mal ausführlich erzählen, was wir so alles erlebt haben, bevor er wieder nach New Mexico verschwindet.“ Das war doch eine ganz schlüssige Erklärung.
Gabriel holte das Popcorn aus der Mikrowelle.
„Als Deke noch aufs College und ich auf die High School ging, hat er mal für Grandpa gearbeitet. Ich kenne ihn wirklich schon sehr lange.“
Gabriel schien das alles gar nicht zu interessieren. Er riss die Popcorntüte auf und leerte den Inhalt in die Schüssel, dann trug er alles in den Wintergarten. Erin entschied sich, nun besser zu dem Thema zu schweigen, bevor sie noch etwas sagte, was sie hinterher bereuen würde. Sie folgte ihrem Sohn und setzte sich neben ihn aufs Sofa.
Der Film war gerade bei der Szene angelangt, in der Indiana Jones in einem Brunnen voller Giftschlangen und damit in höchster Lebensgefahr steckte. Erin versuchte, sich auf den Film einzulassen, aber es fiel ihr nicht leicht.
Wenige Minuten später, gerade als die Nazis im Film Indiana Jones einsperrten, klopfte es an der Haustür. Erin fuhr zusammen und verschüttete beinahe das Popcorn.
„Entschuldigung!“ Sie drückte Gabriel die Schüssel in die Hand und sprang auf.
Dann hielt sie inne und zwang sich, tief durchzuatmen. Ganz ruhig, sagte sie sich. Es ist doch bloß Deke. Kein Grund zur Aufregung. Für ihn ist das bestimmt überhaupt nicht aufregend. Denk einfach daran.
Sie wischte sich die feuchten Handflächen an den Jeans ab und ging zur Haustür.
Deke hatte sich ebenfalls umgezogen. Er trug nun weder Jackett noch Krawatte noch Wollhose, sondern verwaschene Jeans, ein kariertes Hemd und darüber eine grüne Daunenjacke. An seinem schwarzen Cowboyhut klebten vereinzelte Schneeflocken.
„Hey.“ Deke lächelte Erin zu, aber das Lächeln wirkte aufgesetzt, das konnte sie an seinen Augen sehen.
Sie wusste, warum das so war, und sie wollte für ihn da sein. Sie wusste auch, dass sie das konnte, weil es hier schließlich um Deke ging und sie auch früher immer für ihn da gewesen war. Sie fühlte sich erwachsen und vernünftig und hatte auch das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. „Selbst hey“, grüßte Erin ihn zurück, lächelte und öffnete die Tür noch ein weiteres Stück.
„Komm doch rein.“
Er tat wie geheißen. „Ich war eben noch kurz bei Milly, um nach Zack zu sehen.
Er hat schon geschlafen, aber ich glaube, ich bleibe lieber nicht allzu lange hier.
Schließlich will ich nicht meine Aufgaben an meine Schwester abwälzen, aber…“
Er sah Erin direkt in die Augen. „Ich wollte unbedingt herkommen.“
Sie hängte seine Jacke auf und legte den Hut auf der Bank neben der Tür ab.
Dann zog Deke sich die Stiefel aus, damit er keinen Schnee mit in die Wohnräume brachte. In Socken war er bloß acht bis zehn Zentimeter größer als Erin. Ihre Augen waren in derselben Höhe wie sein Mund. Schnell wandte sie sich ab.
„Wir können uns ins Wohnzimmer setzen oder in die Küche oder…“, redete sie drauflos und ging ihm voraus ins Wohnzimmer. Gabriel sah sich immer noch im Wintergarten das Video an. Sie konnten die Filmmusik bis hierher hören.
Deke lauschte. „Ist das nicht Indiana Jones?“
„Bitte?“ Erin sah ihn verwirrt an, dann wurde ihr klar, wovon er sprach. „Ja, Gabriel schaut sich das gerade an.“
Diesmal war Dekes Lächeln durch und durch
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