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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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    Genau genommen war das rot-weiß gescheckte Tier kaum Hund zu nennen, es war nur ein Hündchen. Immerhin war sein Fell nicht räudig, sondern dicht, aber die Nase war spitz, die in dünne Büschel auslaufenden Ohren auch, die schwarzen Knopfaugen klein. Es war wirklich kein hübsches Hundegesicht, Thedas Herz schmolz dennoch.
    Zuerst war ihr das Hündchen auf der Holzbrücke begegnet, da saß es neben ihr, als sie den Schuten nachsah, als sei genau das sein Platz. Dann war es ihr gefolgt, stets einen halben Schritt Abstand haltend, sie hatte es fortgescheucht, bis es wirklich verschwand und Theda, den Kopf voll anderer Gedanken, es vergaß. Aber das Hündchen war ihr weiter gefolgt. Es sah nicht wie ein hungriger verdreckter Streuner aus, sondern trotz seiner offensichtlichen Neigung zu grimmigen Blicken und seltsamen Lauten wie ein Schoßhündchen. Irgendjemand musste es vermissen.
    «Was tust du hier?», fragte Theda, beugte sich hinab und strich ihm über den Kopf. Es fühlte sich schön an, weich und warm. «Du musst nach Hause laufen. Ich kann nicht für dich sorgen. Obwohl ich es gerne täte, mir scheint, du wärst ein netter Begleiter. Aber es geht wirklich nicht.»
    Sie schenkte dem Knirps noch einen bedauernden Blick und ging an dem Windradverkäufer vorbei in die Domkirche – ein kurzes unglückliches Aufkläffen erreichte ihr Ohr – und tauchte in den Trubel ein. So ein Hündchen hat eine gute Nase, versicherte sie sich selbst, es wird schon nach Hause finden. Ganz sicher wird es das.
    Der Marktlärm drang bis hinaus auf die Straße, obwohl der größte Andrang erst begann, wenn mit der Dunkelheit die Arbeit in den Werkstätten ruhte. Dann mischten sich die Gesellen in die ohnedies drängende Menge Volks, für gewöhnlich in Horden und stolz in ihrer Berufstracht, übermütig lärmend und immer zu einer Keilerei aufgelegt.
    Die hatten gewiss keine Hemmungen, sich am Bier draußen in den Schenken und am Punsch im Domhof gütlich zu tun. Berüchtigt waren die Zuckerbäckerknechte, kräftige Kerle in blauen Tuchjacken, die großen weißen Schürzen umgebunden, auf den Köpfen die traditionellen Pudelmützen mit langem rotem Troddel. Wenn sie auf ihre Lieblingsfeinde trafen, die Schlachterburschen in ihren roten Jacken und weißen Schürzen, auf den Köpfen rote Samtmützen, fing die Prügelei schnell an. Das geschah unweigerlich, denn sie suchten einander, und das Publikum wartete darauf wie einst bei den Römern auf die Gladiatorenkämpfe.
    Natürlich wurde stets Empörung ordentlicher Bürger laut, doch wenn die Stadtsoldaten allzu schnell zur Stelle waren, was ebenso unweigerlich geschah, und die Kampfhähne rüde mit ihren Piken auseinandertrieben, gab es nur wenig Applaus. Doch die Domkirche war groß, selbst zur Zeit des Weihnachtsmarktes gab es genug dunkle Ecken im Hauptschiff. Besonders am östlichen Ende, seitlich des Lettners, hinter dem sich zehn Stufen hoch der abgeschlossene Hauptchor mit dem alten Marienaltar befand, war immer Platz für die nächste Prügelei, auch für dunkle Geschäfte, so hieß es hinter vorgehaltener Hand, und die Dienste der Huren.
    Von alledem wusste Theda nichts. Für sie war dieser Markt ein vorweihnachtliches Vergnügen an einem ehrwürdigen, geschützten Ort. Noch fiel Tageslicht in das himmelhohe Kirchenschiff, besonders durch die obere Fensterreihe, die frei vom Schatten der umstehenden Häuser blieb. Noch flanierte die Menge halbwegs manierlich durch die Gänge zwischen Buden und Tischen, mischten sich Leute aus den elenden Gängevierteln mit Klein- und Großbürgern, rannten auch jetzt im Dezember barfüßige schmutzige Straßenkinder mit den Manierlicheren aus den Armenschulen und denen mit Samtkäppchen und Spitzenkragen aus den großen Häusern um die Wette, bis zumindest Letztere von Müttern, Gouvernanten und Kinderfrauen aus dem Getümmel gezerrt wurden. Nirgends sonst, auch nicht zu Pfingsten auf dem Lämmermarkt vor dem Steintor, auf den Wallpromenaden oder am Hafen, mischten sich die Kleinen und Großen, die Armen und Reichen der Stadt wie in diesen acht Tagen in der Domkirche. Wer zu zimperlich war, blieb besser zu Hause. Und versagte sich zugleich den Zauber, der mit dem Abend im Licht zahlloser Kerzen und Laternen, zu festlichen Posaunenklängen in den alten Mauern und zwischen den weihnachtlich geschmückten Buden entstand.
    Wie die anderen Besucher dachte auch Theda an diesem Tag nicht daran, dass unter den großen, den Boden bedeckenden

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