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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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Steinplatten jahrhundertelang die Toten der einstigen Domgemeinde begraben worden waren. Die Inschriften waren abgewetzt, wie in allen großen Kirchen. Theda hatte nur Augen für die ausgelegten Waren. Und für die Menschen, für die in den Buden bei ihren Verkaufstischen und -körben und die flanierenden Besucher. Sie hatte nie ein Theater besucht, nach allem, was sie gehört hatte, mochte es dem hier in manchem ähneln, auf der Bühne wie im Publikum. Wie schade, dass in der Adventszeit das Theater verboten war, womöglich hätte sie das nun auch noch gewagt.
    Und all die Gerüche! Hier duftete es nach den teuren Orangen und Zitronen, dort nach Zimt- und Anisgebäck, nahe einem anderen Stand nach Lavendel, Rosenöl und Melisse, an der nächsten Ecke nach russischem Juchten und Bienenwachslichtern, nach gebranntem Zucker und süßen Äpfeln, Pfeffernüssen und Quittenbrot.
    Die Freuden für Augen, Ohren und Nase machen nicht satt, ihr Magen knurrte vernehmlich. Vom Schappendom ging es nach ein paar Schritten durch den nördlichen Teil des einstigen Kreuzgangs hinaus in den Friedhof. Der war kein Gräberfeld, sondern ehedem Ort der Ruhe und des Friedens für die Mönche gewesen, auch Asyl für die von weltlicher Gerichtsbarkeit Verfolgten. Unter dem Vordach, das noch von dem südlichen Kreuzgang geblieben war, duftete es herrlich. Zuerst nach reichlich mit Arrak vermischtem, mit Zimt und Zitronenschale gewürztem Punsch, über einer Glutwanne dampfte gleich daneben ein Kessel Suppe mit fettem Ochsenfleisch, auf einem Rost brutzelten über Holzkohlenglut nach Majoran und Nelkenpfeffer riechende Würste.
    Theda hatte seit Madam Zollers Abreise keine warme Mahlzeit gegessen, der Punsch musste warten. Sie aß einen Teller Suppe, bemüht, im plötzlichen Heißhunger nicht zu sehr zu schlingen, dann eine Wurst zu einem Stück frischen Roggenbrotes und spürte mit tiefem Behagen den Frieden des Sattwerdens. Sie sah nicht die Blicke, die sie hin und wieder streiften, missmutige, begehrliche oder neugierige Blicke. Zum ersten Mal in ihrem Leben – manches ließ sie in diesen Tagen zum ersten Mal in ihrem Leben geschehen – achtete sie nicht darauf, ob sie sich richtig verhielt, ob sie im Weg stand, ob ihr ein Fauxpas jedweder Art unterlief. Auch den Blick der Suppenfrau hatte sie ignoriert, als die ihr die Schale reichte und sich nach dem dazugehörigen Herrn für die Bezahlung umsah. Theda hatte süß gelächelt, den zierlich bestickten, aber gut verschließbaren Beutel mit Madam Zollers Abschiedsgabe aus der Tasche gezogen und mit einer viel zu großen silbernen Münze bezahlt. Die hatte die Frau genau geprüft, ebenso diese Person gemustert, als sie ihr das Wechselgeld reichte, und sich ohne Gruß oder Lächeln dem nächsten Kunden zugewandt. Aus irgendeinem für sie selbst nicht verständlichen Grund fühlte Theda sich beschämt. Sie würde darüber nachdenken. Später.
    Auch der Punsch schmeckte köstlich, nur ein kleines Becherglas aus dem Kessel ohne Arrak. Das war gut, sonst hätte sie womöglich gedacht, es sei ihre Schuld gewesen, sie habe allzu leicht geschwankt, als das Kind sie umrannte.
    Dabei war nur passiert, was alle Tage im Gedränge passieren kann, erst recht im Markttrubel, wo überall Körbe, Säcke, Tonnen und andere Behältnisse im Weg stehen.
    Theda hatte an einem Stand mit den wunderbarsten Sämereien die Namen auf den Tütchen studiert, überlegt, ob darunter eine passende Gabe für Mutter und Stiefvater war, wenn sie in einigen Tagen zurückkehrte, und die Entscheidung auf den nächsten Tag verschoben. Direkt gegenüber, an einem Stand, der mehr Trödel als neue oder wertvolle Ware bot, hatte sie einen drallen Porzellanengel entdeckt. Der Trödler, ein nicht sehr reinlicher dicker Mann im Sonntagsstaat einfacher Leute, erschien ihr auf unbestimmte Weise bekannt.
    Er setzte das Engelchen auf seine Hand und hob es ins Licht. «Ein besonders feines Stück», versicherte er im verschwörerischen Ton, «hat lange auf’m Nachttisch der englischen Königin gestanden, im Schloss in London, ja, und dann …», er beugte sich vor und flüsterte: «… und dann inner Reisetruhe von ihrem Liebhaber über die Nordsee und die Elbe, der ist ’n polnischer Herzog …»

     
    Just als Theda amüsiert hören wollte, wie die geflügelte Liebesgabe einer Königin den Weg aus einer herzoglichen Reisetruhe auf den Trödelstand im Hamburger Dom gefunden hatte, rieselten Krümel von der Säule herab, in deren Schutz

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