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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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und zu einer Meinung oder Entscheidung zu stehen, gern wie eine dumme Gans, nur ohne lautes Geschnatter. Jeder hatte gewusst, dass sie ihre vertraute Mamsell mit nach Antwerpen nehmen werde, und es für klug gehalten. Außer ihrem Sohn kannte sie dort niemanden, selbst die Schwiegertochter nur von zwei Besuchen. Sie würde sich schrecklich einsam fühlen, die liebe dumme Person.
    Madam Augusta erinnerte sich gut an ihre eigenen Ankünfte in der Fremde, die einzige ihr wirklich vertraute Person war beide Mal Anneke gewesen. Zuerst, als sie als blutjunge Braut nach Kopenhagen geschickt wurde, ebenso Jahrzehnte später, als sie, schon lange verwitwet, zurückkehrte. Sie war im Haus ihres Neffen hochwillkommen gewesen, sie hatte ihn immer geschätzt, auch seine Frau und seine nun schon erwachsenen Kinder waren ihr über die Maßen lieb, als gesellige Dame war sie auch in der Stadt ihrer Kindheit schnell wieder heimisch geworden. In der Anfangszeit jedoch war es wieder Annekes unerschütterliche Gegenwart gewesen, die ihr das Gefühl der Verlorenheit und des Fremdseins genommen hatte. Anneke und sie, Dienerin und Herrin, waren zusammen alt geworden. Seit ihrem Tod vor zwei Jahren war es Madam Augusta unmöglich gewesen, sie zu ersetzen. Ersetzen, was für ein Wort. Als wechsele man nur alte Schuhe gegen neue aus.
    Im großen Haushalt ihres Neffen gab es natürlich genug Dienstboten, sie hatte niemals eine Handreichung vermisst, aber das war etwas anderes. Zudem war es eine der Malaisen des Alters – man wurde wählerischer und gewöhnte sich schwerer an neue Menschen. Wenn die Zollerin so dumm war, ihre hochgeschätzte Theda zurückzulassen, konnte es nur an dem Veto ihres Sohnes liegen, es hieß, der neige zur Knauserei und seine Frau führe in Antwerpen ein aufwendiges Leben. Aber wie Madam Augusta verfügte die Zollerin über eigenes Geld, die wichtigste Voraussetzung für ein bisschen Unabhängigkeit, erst recht für eine Frau. Sie hätte leicht durchsetzen können, Theda mitzunehmen.
    Augusta beschloss, ihr zu schreiben, gleich heute Abend, die Anschrift der Antwerpener Handelsvertretung bekam sie im Kontor ihres Neffen. Vielleicht ging dieser Tage noch ein reitender Bote an die Schelde. Sie wollte der Zollerin schreiben, wie dumm es war, eine so tüchtige und angenehme Person wie Theda Harling zurückzulassen. Dumm und zu dieser Zeit auch geradezu unchristlich. Nun gut, vielleicht würde sie es höflicher ausdrücken. Das nahende Weihnachtsfest stimmte sie wie immer milde.

      
    heda war, als habe sie schon Punsch getrunken. Drei große Gläser. Tatsächlich hatte sie das nie in ihrem Leben getan, nicht an einem Tag, aber eines würde sie heute trinken. Ganz allein, ohne Begleitung, das zeugte von ungebührlichem Übermut, bald war sie fort, es kümmerte niemand, ob sie sich benahm wie eine, wie eine – nun, wie eine dieser Frauen, indem sie allein durch die Stadt lief, sich auf dem Weihnachtsmarkt herumtrieb (Meyer-Hohne würde es so nennen) und heißen gewürzten Wein trank. Nun war ihr doch ein wenig seltsam – vielleicht aus Freude, vielleicht aus Angst vor diesem Übermut. So oder so, es war erregend. Als trete sie eine Reise an. Theda staunte, dass wirklich so etwas wie Abenteuerlust in ihr steckte.
    Sie betrat die Domkirche durch das Südportal. Anders als das nördliche mit dem noch erhaltenen, aus Sandstein gefertigten reichen Figurenschmuck war hier nur noch im abgerundeten Spitzbogen der thronende und segnende Christus zu erkennen. Im vergangenen Jahr hatte Theda ihn als überaus tröstlich empfunden, heute sah sie nicht hinauf.
    «He, Madam!» Eine ruppige Stimme hielt sie zurück. Der Mann verkaufte gleich hinter dem Portal Windräder aus Federn, leider wenig kunstvoll gefertigtes Knabenspielzeug. Sicher war er wegen schlechter Geschäfte so missgestimmt, die Konkurrenz musste dieser Tage größer sein denn je. «Das geht aber nicht, Madam, Viecher sind hier keine erlaubt. Der da bleibt draußen, klar?»
    «Draußen? Wer?» Theda sah sich suchend um, doch der Kleinhändler zeigte anklagend zu ihren Füßen hinunter – und da hockte er, ganz nah, und sah grimmig zu dem Verräter mit den Windrädern auf, wäre er nicht so klein und dünn gewesen, hätte er die Zähne gefletscht und sehr böse geknurrt. So zog er nur die Oberlippe hoch und gab einen seltsam huschigen Laut von sich. Dann drehte er den Kopf zu Theda, und sein Blick wurde flehend. Wer hätte je einem solchen Hundeblick widerstehen

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