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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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der Stand aufgebaut war. Der Trödler blickte erschreckt nach oben zu einer Madonna auf einem Sockel an der Säule, räusperte sich geräuschvoll und war plötzlich nur noch damit beschäftigt, seinen Krims und Krams neu zu ordnen. Was Theda ganz recht war, sie hatte schon die Versuchung gespürt, diese köstliche Sorglosigkeit.
    So reihte sie sich wieder in den Menschenstrom ein, um sich zurück zum Südportal treiben zu lassen. Plötzlich fühlte sie sich heftig zur Seite gestoßen. Ein Junge von vielleicht zehn oder zwölf Jahren war im Rennen mit großer Wucht gegen sie gestolpert, brachte auch sie zum Stolpern, und just als sie aufschrie und spürte, wie sie fiel, wurde sie aufgefangen. Zwei kräftige Hände verhinderten ihren Fall, sie sank an eine breite Brust, ein Hauch von Melisse umfing sie.
    «So ein Flegel», hörte sie eine sehr männlich klingende Stimme, die zweifellos zu der breiten Brust und dem frischen Duft gehörte. «Geht es Euch gut, Fräulein? Braucht Ihr ein Riechfläschchen? Oder soll ich einen Schluck Wasser holen?»
    «Danke», Thedas Stimme zitterte noch, «danke, das ist nicht nötig. Ich habe mich nur erschreckt.» Sie sah in ein nicht mehr ganz junges, besorgt lächelndes Gesicht, helle Augen, eine hohe Stirn, dichtes dunkelbraunes Haar, eine Strähne hatte sich aus dem Band im Nacken gelöst und fiel weich über seine Wange, als er sich vorbeugte, um ihren im Fallen heruntergerutschten Umhang wieder über ihren Arm zu legen.
    Er neigte den Kopf, immer noch mit diesem Anteil nehmenden Blick. «Ich bin froh, dass Euch nichts geschehen ist. Wie leicht kann sich eine so zarte Dame verletzen. Und Ihr braucht wirklich keine Erfrischung? Nun, dann will ich Euch nicht aufhalten.» Er verbeugte sich galant, sein Haar war ausnehmend schön – Theda ertappte sich bei dem Wunsch darüberzustreichen – und verschwand in der Menge.
    Theda fand, so höflich, ihr Nein gleich zu akzeptieren, hätte er nicht sein müssen.
    Der Dom hatte sich nun noch mehr gefüllt, aus dem Summen der Stimmen war ein dissonanter, zugleich überaus vergnügter Chor geworden. Eigentlich begann jetzt die schönste Zeit, aber Theda fühlte plötzlich Müdigkeit, und morgen war auch noch ein Tag, es dunkelte – allerhöchste Zeit zurückzugehen. Beinahe hätte sie gedacht: nach Hause.
    Der Windradverkäufer stand nicht mehr am Portal, doch ein paar Schritte weiter hockte unter einem winterlich struppigen Holunder das rot-weiße Hündchen, in der sich rasch herabsenkenden Dämmerung kaum mehr als ein heller Fleck. Es stieß ein seliges Winseln aus, als Theda aus dem Dom trat, und begann, in übermütiger Freude um die Frau herumzuhüpfen, die es offenbar und aus unerfindlichem Grund zu seiner neuen Herrin gewählt hatte.
    «Du verrücktes kleines Geschöpf. Was mache ich nur mit dir? Du musst doch zu irgendjemand gehören. Oder nicht? Geht’s dir wie mir? Zwei Vogelfreie.» Sie lachte, es klang wirklich fröhlich. «Dann komm eben mit. Komm!», rief sie auffordernd, als das Hündchen ihr nur angstvoll nachsah. «Du hast gewonnen, nun komm schon. Sicher finde ich auch noch was für dich zu fressen, du musst schrecklichen Hunger haben. Aber ich werde dir keinen Namen geben, für mich heißt du nur Hündchen. Bilde dir nicht ein, du hast ein neues Zuhause gefunden. So einfach ist das nämlich nicht. Gleich nach Weihnachten musst du dir eine andere Bleibe suchen.»
    So gingen die Frau und das Hündchen, beide mit hocherhobenem Kopf und leichtem Herzen, durch die Straßen. Die waren schon dunkel, doch sehr belebt. In den Fenstern glänzten hellere Lichter als sonst, so schien es Theda, und wo eines geöffnet war, hörte man keine Streitereien, kein Gezeter, überhaupt keine schroffen Töne. Hier übten Kinderstimmen ein Lied zum Spinett, dort wurde ein Gedicht von Winterkälte und gleichwohl blühender Hoffnung deklamiert, an einer anderen Ecke erklang zart eine Violine. Und dann begannen die Glocken zu schlagen, es musste halb fünf sein, oder schon fünf?
    Theda ging schneller. Als sie die Stände der Schlachter auf dem Hopfenmarkt bei St. Nikolai überquerte, räumte gerade der letzte seine Bude. Sie war satt von der fetten Mahlzeit im Dom, aber das Hündchen brauchte ein Abendbrot. Ein kleiner Knochen und ein paar Fleischreste konnten nicht viel kosten. So blieb sie stehen, griff in die Tasche ihres Umhangs – da war nichts. Hektisch tastete ihre Hand tiefer, aber es ging nicht tiefer, und es gab überhaupt keinen

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