Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
Vom Netzwerk:
erlegt der Herr ihm diese harten Prüfungen auf. Allerdings zieht er es vor, die Ursache in der Schwächlichkeit heutiger junger Frauen zu sehen, was sicher recht ist. Er trägt Dir nicht nach, dass Du damals einem unbedeutenden jungen Mann den Vorzug gegeben hast, denn wie man sah, lag kein Segen auf Deiner Ehe mit Harling. Als die feinfühlige Seele, die unser lieber Meyer-Hohne schon immer war, wenn es auch nicht sogleich und für jedermann zu erkennen sein mag, hat er nun mich als Deine Mutter beauftragt, seinen Antrag zu erneuern. Sei dankbar, liebes Kind, und endlich klug. Verlasse den Dienst, den Du Dir in einer fremden Stadt aufgebürdet hast, und …»
    Theda kannte diese Zeilen auswendig. Sie hatte nicht geschrieben, dass sie ihre Stellung verloren hatte, nur Weihnachtsgrüße geschickt, wie es sich für eine Tochter gehörte, auch einen an Meyer-Hohne ausrichten lassen, mochten sie das auslegen, wie sie wollten, und weil sie da noch gehofft hatte, einen Ausweg zu finden, vage ihren Besuch angekündigt. Nur ihren Besuch. Das Haus ihres Stiefvaters war klein und voller Kinder, die Mittel waren stets knapp, und ihre Stiefschwestern erledigten die Arbeit in Haus und Garten. Für eine arme Verwandte, sei sie noch so dienstbeflissen, war kein Raum. Nun war diese Ehe mit dem säuerlichen Meyer-Hohne doch ihre Zukunft. «Sei dankbar, liebes Kind.»
    Auf der Holzbrücke zur Deichstraße und zum Hopfenmarkt blieb sie stehen, vom raschen Gang ein wenig atemlos, und sah den Schuten nach, die mit dem ablaufenden Wasser zum Hafen zurückgestakt wurden. Dorthin, von wo Schiffe und Waren jeder Art aus der Welt ankamen. Oder in die Welt gingen. Wäre sie ein Mann, könnte sie auf einem anheuern. Wobei es ihr wohl doch nicht gefallen würde, monatelang alle Tage schimmeligen Schiffszwieback zu essen und fauliges Wasser zu trinken, von den Gefahren auf See gar nicht erst zu reden.
    Sie wollte weitereilen, blieb aber stehen. Konnte sie nicht so lange müßig sein und auf die Männer in den Schuten hinunterschauen, wie sie wollte? Niemand erwartete sie, niemand forderte Rechenschaft.
    Ein ungewohntes Gefühl stieg in ihr auf, eine Ahnung von heiterer Leichtfertigkeit, vermischt mit Wehmut. Flüchtig, schnell aufgelöst wie Morgennebel über dem Fluss. Darüber war sie froh, denn so kurz es gewesen war, hatte es sie schwindeln lassen, als bäume sich die Brücke unter ihren Füßen auf, um sie abzuwerfen. Oder voranzutreiben. Einfach wieder zur Vernunft zu bringen? Sie wollte nichts von alledem. Am wenigsten Letzteres.
    Als sie in die Straße einbog, die weiter über die Trostbrücke zum Platz vor Rathaus und Börse führte, dem Zentrum der Stadt, von wo es nur ein Katzensprung bis zum alten Dom war, rollte eine schwarzlackierte leichte Kutsche vorbei. Wäre Theda nicht gerade in diesem Moment von einem seltsamen kleinen Tier abgelenkt worden, hätte sie gewiss die alte Dame erkannt, die sich aus dem Fenster beugte und ihr nachsah.

      
    adam Augusta Kjellerup lehnte sich stirnrunzelnd zurück in die Polster, als die Kutsche weiterrollte. Sie zog die Pelzdecke wieder über die Knie und dachte, womöglich sei es doch ratsam, so ein unkleidsames Brillengestell auf die Nase zu setzen. Bisher hatte sie trotz ihres gesegneten Alters nur zur Lektüre ihr Lorgnon gebraucht.
    Ihr Neffe war bei seiner Rückkehr aus Lüneburg an der Elbfähre der Zoller’schen Kutsche begegnet, die Zollerin hatte ihm Grüße aufgetragen. Also wusste sie genau, dass die Zollerin abgereist war, ein blödsinniges Unterfangen übrigens mitten im Winter und so kurz vor Weihnachten. Wenn sie nun glaubte, auf der Holzbrücke Mamsell Theda erkannt zu haben, den guten Geist des Zoller’schen Haushaltes in der Großen Reichenstraße, musste das ein Irrtum sein. Oder nicht?
    Madam Augusta, wie sie für gewöhnlich genannt wurde (gewiss kein Zeichen unangemessener Vertraulichkeit, alle hatten Respekt vor der alten Dame), schüttelte den Kopf. Einerlei, was sein konnte oder nicht, dort auf der Brücke hatte Mamsell Theda gestanden. Das war sicher.
    Sie kannte den jungen Zoller nicht, sie selbst hatte den allergrößten Teil ihres Lebens in Kopenhagen verbracht; als sie nach Hamburg zurückkehrte, vertiefte er seine Kenntnisse in einem Londoner Handelshaus, später in Antwerpen. Umso besser kannte sie seine Mutter. Die war eine freundliche Person, gerne mildtätig, stets friedfertig, gleichwohl verhielt sie sich, wenn es darauf ankam, den Rücken gerade zu machen

Weitere Kostenlose Bücher