Drei Wunder (German Edition)
sobald sie einen Schritt hinein auf die Fußmatte mit einem Willkommensgruß darauf gemacht hatte, und Olivia ließ die Tür leise hinter sich zufallen. Das Mädchen auf dem Sofa hatte ihre Lektüre wieder aufgenommen, und Olivia blieb verlegen am Eingang stehen. Halb angezogene Kleiderpuppen nahmen fast jeden Meter des kleinen Raumes ein. Stoffmuster lagen aufgefächert auf niedrigen Holztischen, und in jeder Nische und Aussparung befanden sich Miniaturschmetterlinge aus Glas in verschiedenen Formen und Farben. Zwei mit Quasten versehene Lampen spendeten ein weiches, gelbliches Licht, das den über den Boden wirbelnden Staub sichtbar machte.
Olivia räusperte sich, doch das Mädchen las weiter, ihre dunklen Augenbrauen so weit zusammengezogen, dass sie noch buschiger wirkten. »Entschuldigung«, begann Olivia zögernd. »Könnte ich …?«
»Wir haben geschlossen«, sagte das Mädchen und blätterte geräuschvoll eine Seite ihres Buches um. Sie war außerordentlich dünn, und es wirkte, als würden ihre knochigen Glieder von den abgewetzten roten Kissen des alten Zweiersofas geschluckt. Dem Sofa selbst fehlten zwei Beine, und es war an einem Ende auf einen alten Plattenspieler aufgebockt.
»Geschlossen?«, wiederholte Olivia leise und ließ die Schultern hängen. Sie blickte zurück durch das Fenster in die zunehmende Dunkelheit und stellte sich den nächsten Abend bereits in fliederfarbenem Taft vor, das kratzende Futter, das entsetzlich raschelnde Geräusch, das der Stoff beim Laufen machte. Sie griff mit einer Hand nach der Tür, als eine scharfe Stimme sie anrief.
»Warte!«
Olivia drehte sich um und sah, dass das Mädchen sich von ihrem Buch losgerissen hatte, das nun aufgeschlagen und mit dem Umschlag nach oben in ihrem Schoß lag. Es war einer dieser kitschigen Groschenromane, die meist in den Ramschkisten von Buchläden zu finden waren und auf deren Titelbildern halbnackte Paare hingebungsvoll posierten.
»Ich habe dich schon öfter gesehen«, sagte das Mädchen und starrte Olivia aus wachen Knopfaugen an. »Wohnst du in der Nähe?«
Olivia nickte und schluckte. »Ja«, antwortete sie. Ihr Mund war trocken und ihre Zunge langsam. »Wir sind gerade erst ein Stückchen weiter unten in der Straße eingezogen. Ich war nur … ähm, auf dem Heimweg und dachte … ich meine, ich wollte nur mal schauen …«
»Schauen ist erlaubt.« Das Mädchen lächelte und enthüllte dabei eine Reihe von Zähnen, die fast wie Milchzähne aussahen. Sie sprach mit dem Ansatz eines schwer erkennbaren Akzents, obwohl sie jede Silbe deutlich artikulierte.
»Dachte ich auch«, sagte Olivia, die plötzlich das Gefühl hatte, als müsse sie sich verteidigen.
Das Mädchen stemmte sich hoch und griff nach einem alten Besen, der an einer wackligen Kommode lehnte. Genau wie das Mädchen sahen auch die Möbel in der Schneiderei etwas klapprig aus, als würden sie umfallen, wenn man auch nur nieste.
»Ich bin Posey«, stellte das Mädchen sich vor und fuhr mit dem Besen über den staubigen, rot gefliesten Boden.
Olivia trat wieder einen Schritt näher. »Olivia«, sagte sie und streckte verlegen die Hand aus. Posey zögerte, bevor sie ihre eigene Hand ausstreckte, die so klein und dürr war, dass Olivia Angst hatte, sie könnte sie zerbrechen. Aus der Nähe betrachtet waren Poseys braune Augen gelb-orange gesprenkelt, und sie blinzelte neugierig hinter einem dunklen, schiefen Pony hervor. Da war etwas an der Art, wie sie sie ansah, weshalb Olivia sich plötzlich ganz komisch fühlte.
»Nett, dich kennenzulernen, Olivia«, sagte Posey, entdeckte einen umgekippten Stoß mit Stoffmustern zu ihren Füßen und bückte sich, um ihn wieder aufzurichten. Dabei stieß sie mit der Schulter gegen ein Tischbein, und eine der kleinen Schmetterlingsfiguren aus Glas geriet verdächtig ins Schwanken. Posey beeilte sich, sie vor dem Fall zu bewahren, und brachte die zitternden Flügel vorsichtig wieder zur Ruhe.
»Ich mag deine Schmetterlinge«, sagte Olivia und merkte sofort, wie lahm das klang. »Ich meine, sie sind wirklich nett. Ich mag Schmetterlinge überhaupt, weißt du; sie sind …«
Posey lächelte. »Danke«, sagte sie. »Sie gehörten meiner Großmutter.«
Als Posey vorsichtig die Hand vom Schmetterling nahm und sich wieder daranmachte, den Boden zu fegen, erkannte Olivia einen vertrauten Ausdruck in ihren Augen.
Sie gehörten meiner Großmutter.
Es war der Blick von jemandem, der etwas verloren hatte, was er nie
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