Drei Wunder (German Edition)
wiederbekam.
»War das ihr Laden?«, fragte Olivia.
Posey nickte. »Sie begann im Keller mit einer Änderungsschneiderei«, erklärte sie. »Aber bald schon ging es weiter. Es gab Artikel in den Zeitschriften oder auf den Modeseiten der Zeitungen …«
»Sie muss sehr talentiert gewesen sein«, warf Olivia ein.
»Das war sie«, bestätigte Posey, und der traurige Ausdruck blieb, während sie fortfuhr, die gleiche, inzwischen schon sehr saubere Stelle des Bodens zu fegen. »Ich habe versucht, den Laden ohne sie am Laufen zu halten, aber …« Ihre Stimme brach ab, als sie sich in dem leeren, vernachlässigten Laden umsah, dann schüttelte sie heftig den Kopf, als wollte sie etwas abschütteln, was zu sehr schmerzte, um sich daran zu erinnern.
»Also, was kann ich für dich tun?«, fragte Posey abrupt, stellte den Besen zurück und setzte sich in einen hölzernen Schaukelstuhl.
»Oh«, sagte Olivia und tastete in ihrer Tasche nach dem weichen Kleiderstoff. »Ich habe da dieses Kleid, und es hat einen wirklich großen Riss an einer Seite …«
Posey bedeutete Olivia, ihr das Kleid zu zeigen. Liebevoll fuhr sie mit den Händen über den Stoff, ihre schmalen, flinken Finger fanden auch gleich den kaputten Reißverschluss. »Das ist ein schönes Kleid«, lobte sie. »Secondhand?«
Olivia lächelte unsicher. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht; es ist … gehörte … meiner Schwester.«
Posey nickte und starrte an Olivia vorbei oder durch sie hindurch.
»Toller Stil«, meinte sie anerkennend, stemmte sich hoch und legte das Kleid über die Rückenlehne eines Stuhls. »Auf jeden Fall ein Kleid für jemand, der weiß, wie man Spaß hat.«
»Ja«, stimmte Olivia mit einem Lächeln zu. »Das wusste Violet.«
Sie hatte nicht so traurig klingen wollen, aber sobald die Worte ausgesprochen waren, war ihr klar, dass es ihr nicht gelungen war.
Posey lächelte, ihre Augen funkelten jetzt. »Komm nächste Woche wieder«, sagte sie und legte das Kleid zusammen. »Ist Donnerstag in Ordnung?«
Olivia kaute nervös auf den Innenseiten ihrer Wangen und verschränkte die Arme. »Das ist das Problem«, sagte sie. »Ich brauche es leider schon morgen.«
Posey erstarrte, mit einer Hand stützte sie sich auf der Stuhllehne ab, die andere ballte sie zur Faust.
»Ich weiß, es ist sehr kurzfristig«, entschuldigte Olivia sich. »Meine Mom will, dass wir zu so einem Empfang gehen, und ich habe einfach keine andere Wahl. Es ist eigentlich gar nichts Besonderes. Ich meine, ich werde sowieso nur den ganzen Abend in einer Ecke stehen, also ist es egal, was ich trage. Ich dachte nur, ich weiß auch nicht … wenn es eine Möglichkeit gäbe …«
Posey blickte hoch, den Kopf auf eine Seite gelegt. Sie sah Olivia lange an, bevor sie den Blick wieder durch den Raum wandern ließ. Zwischen zwei nackten Fenstern befand sich ein zerkratzter hölzerner Schreibtisch in Kindergröße, mit eingebautem Sitz. Die Tischplatte war leer bis auf einen Spiralblock, der mit einem Stift daneben offen dalag.
»Gib mir deine Adresse«, sagte Posey leise. »Ich kann es morgen vorbeibringen.«
Erst als Olivia einen tiefen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen hatte, merkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte. Sie hatte nicht gedacht, dass ihr das Kleid so wichtig war, aber irgendetwas in Poseys Augen hatte eine Flut von Emotionen bei ihr ausgelöst. Es war, wie wenn man unter einem eiskalten Wasserfall steht und einem gleichzeitig die Sonne auf den Rücken scheint.
Olivia nickte und ging zum Schreibtisch, wo sie ihre Adresse sorgfältig in Druckschrift niederschrieb.
Dann wandte sie sich zur Tür. Der Himmel war mit einem rosa Streifen versehen, die Sonne verschwand hinter den pastellfarbenen Häusern oben am Hügel.
Olivia drehte sich für ein Winken zum Abschied um, doch Posey war bereits wieder in ihr Buch vertieft. Olivia wollte sich bedanken, aber irgendwie erschien ihr ein Dankeschön zu einfach und plump für das, was sie ausdrücken wollte.
Sie lächelte und trat hinaus auf den Gehsteig, wo die Luft so schwer und feucht war, als könnte man sie geradewegs in eine Flasche füllen.
Zumindest der Regen hatte aufgehört.
5
»Olivia, bist du da drin?«
Olivia saß in ein flauschiges weißes Badetuch gehüllt am Fuße ihres Bettes und starrte wie benommen auf das Kleid, das noch verpackt neben ihr lag.
»Dein Vater fährt das Auto vor«, rief ihre Mutter durch die Tür. »Wir treffen uns in einer Minute vor dem Haus!«
»In Ordnung«,
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