Drei Wunder (German Edition)
gerne Tee hier, oder?«
Olivia zog den Ärmel ihres Pullis aus dem Griff ihrer Schwester und schob sie in eine kleine Gasse.
»Wir müssen doch nicht drum herum reden.« Olivia seufzte. »Ich bin in diesen Dingen einfach nicht gut. Ich bin eben nicht so wie du. Können wir nicht für heute einfach damit aufhören?«
Violet warf frustriert die Hände in die Luft. »Du versuchst es ja nicht mal!«, schrie sie. »Es ist, als wolltest du keine Freundschaften schließen.«
Olivia zuckte mit den Schultern und lehnte sich gegen die Backsteinmauer des Hauses hinter sich.
»Warum muss ich denn?«, fragte sie leise. »Ich meine, du bist doch jetzt wieder da, oder?«
Violets Gesichtsausdruck wurde sanfter, und dann spürte Olivia die Hand ihrer Schwester auf ihrer Schulter. »Hör endlich auf damit«, befahl sie. »Wenn nicht um deinetwillen, dann wenigstens für mich. Meine Güte, du bist mitten in einer tollen Stadt. Mach was draus!«
Olivia sah in Violets bittende Augen, und seufzend ging sie mit ihr wieder zur Straße zurück.
People’s Republic , das beliebteste Café in der Nähe der Schule, war noch voller als der Schulhof, und Olivia befürchtete, dass sie zu spät zur nächsten Stunde käme, wenn sie sich in die lange Schlange für einen Tee oder ein Muffin anstellte. Doch Violet ließ sich ihr Vorhaben nicht ausreden. Die Mädchen standen geduldig vor der Glastheke, und Olivia dachte darüber nach, wie merkwürdig es war, veganen Frischkäse anzubieten, während Violet sich mit Ohs und Ahs über die ausgefallenen Geschmacksrichtungen von Tee und Kaffee begeisterte.
Als Olivia erfolgreich einen Pfefferminztee und ein Hafercookie bestellt hatte und sich wieder umdrehte, sah sie, dass Violet sich bereits an einen Tisch in der Mitte des Cafés gesetzt hatte, genau gegenüber von Calla Karalekas.
Violet wedelte so wild mit den Armen, dass Olivia schon fürchtete, sie könnte irgendwelche Moleküle in Aufruhr bringen und einen unsichtbaren Tornado im Café auslösen. Olivia merkte, wie ihr Puls schneller schlug, und sie versuchte gleichmäßig weiterzuatmen, während sie sich zwischen den Tischen hindurch auf Calla zubewegte.
Vorsichtig balancierte sie Tee und Cookie in der gleichen Hand, um sich mit der anderen Hand rasch eine Haarsträhne von der Nasespitze zu schieben. Sie holte ein letztes Mal tief Luft und erwiderte Violets aufmunternden Blick. Soll ich fragen, ob ich mich setzen kann? , überlegte Olivia nervös. Oder mich einfach setzen? Wahrscheinlich wirkt es selbstbewusster, wenn ich mich einfach setze. Wer fragt schon vorher? Es ist ein freies Land , ahmte sie innerlich Violet nach, um sich Mut zu machen. Sie umrundete den Tisch, stellte sich neben Violet und senkte ihren Tee zum Tisch … genau im gleichen Moment, als Calla herumwirbelte und aufstand.
»Lass uns gehen«, rief Calla ihrer blonden Freundin zu. »Ich habe vergessen, dass ich mich mit Soren bei Amoeba treffen wollte. Er versucht schon seit Wochen, mich dazu zu bekommen, die neue MGMT zu kaufen.«
Es war keine geplante Flucht oder Ähnliches. Das war sowohl Olivia als auch Violet sofort klar. Es war einfach schlechtes Timing. Doch das änderte nichts daran, dass Olivia, egal, was sie tat, dazu bestimmt zu sein schien, wie ihre Schwester hoffnungslos und unabänderlich unsichtbar zu bleiben.
13
»Wie geht es denn da drin voran?«
Olivia war eingeklemmt zwischen Stößen von Kleidern, engen Jeans und unglaublich hohen Schuhen in einer unmöglich kleinen Umkleidekabine und starrte auf ihr ramponiertes Spiegelbild. Sie bemühte sich, die ganze Zeit halbwegs angezogen zu sein, denn die Tür hatte keinen Riegel, und die geschwätzigen jungen Verkäuferinnen, die alle gleichalt und spindeldürr waren, hatten keine Hemmungen, einfach hereinzuplatzen.
Nach einem weiteren Tag, an dem Violet Olivia dabei geholfen hatte, sich in der Schule zu behaupten, ihr einen strategisch günstigen Platz für die Mittagspause ausgesucht und Verhaltensratschläge gegeben hatte, angefangen bei der richtigen Art und Weise, die Korridore entlangzulaufen, bis zur Feststellung ( nicht der Bitte um Erlaubnis), zur Toilette gehen zu müssen. Schließlich hatte Violet beschlossen, dass das Einzige, was jetzt noch einer Überarbeitung bedurfte, Olivias farblose und langweilige Garderobe war.
»Du willst wissen, warum niemand dich bemerkt?«, hatte Violet gefragt, während sie mit Olivia von der Haltestelle nach Hause lief. »Weil jeder einzelne deiner Pullis in
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