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Drei Wunder (German Edition)

Drei Wunder (German Edition)

Titel: Drei Wunder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Bullen
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alles zu vergessen.
    Olivia zog aufgebracht die Weste über den Kopf und warf sie auf den Boden. Plötzlich sah sie Violet neben sich im Spiegel, die zusah, wie Olivia eilends wieder in ihre eigenen Klamotten schlüpfte.
    »Was tust du denn?«, fragte sie.
    Olivia knöpfte ihre Cordhose zu und setzte sich auf den Hocker, um den Reißverschluss ihrer Stiefel hochzuziehen. »Ich gehe nach Hause.«
    Violet kniete sich neben ihre Schwester und tippte auf die Kreditkarte, die Olivia neben den Spiegel hingeworfen hatte. »Hast du nicht gehört, was sie gesagt hat?«, fragte sie. »Du hast einen Blankoscheck! Hast du eine Ahnung, wie oft ich davon geträumt habe?«
    Olivia nahm die Kreditkarte und steckte sie in die Tasche ihrer Fleecejacke. »Es ist schlimm genug, dass ich genau wie du aussehe«, blaffte sie ihre Schwester an. »Ich muss mich nicht auch noch genauso kleiden.«
    Violet versperrte ihrer Schwester den Weg aus der Kabine. »Warte«, bat sie und fasste Olivia am Ellbogen. »In Ordnung, vielleicht war das mit der Weste ein wenig übertrieben.«
    »Ach ja?«, erwiderte Olivia trocken.
    »Aber das bedeutet nicht, dass wir nicht etwas finden, was mehr … nach dir aussieht«, beteuerte Violet. »Nur weil du keinen kurzen Rock tragen willst, heißt das ja nicht, dass du dich die ganze Zeit wie ein Stück trockener Toast anziehen musst, oder?«
    Violet drehte ihre Schwester so, dass sie in den Spiegel blickte, und Olivia musste sich geschlagen geben. Ihre Hose, ihr Sweater, ihre Jacke, alles war genau in dem gleichen hellen Braun. Sie konnte selbst sehen, dass da leicht etwas zu verbessern war.
    Violet deutete auf die grau-schwarz gestreifte Tunika mit Gürtel, die oben auf dem Stoß lag. Olivia nahm sie und hielt sie vor sich.
    »Siehst du?«, sagte Violet, und ihre Stimme war liebevoll und beruhigend. »Wir machen ganz kleine Mäuseschritte.«

14
    Ob es nun etwas mit der neuen Tunika und den anthrazitfarbenen Leggins oder den neuen Knautschstiefeln aus Wildleder zu tun hatte oder nicht, Olivias Regentschaft als Prinzessin Unsichtbar fand am folgenden Nachmittag in der Englischstunde ein Ende.
    Es war das erste Mal, dass Olivia diesen Kurs besuchte. Sie war fälschlich für einen anderen Englischkurs eingeteilt worden und hatte einen ganzen Tag gebraucht, um die nette, aber exzentrische Schulberaterin, deren Büro mit tibetischen Gebetsfahnen geschmückt war und nach Räucherstäbchen roch, zu überzeugen, dass da ein Missverständnis vorlag.
    Nachdem Olivia noch ein paar Mal falsch abgebogen war und beinahe bei den Putzmitteln im Keller gelandet wäre, schlich sie sich ins Klassenzimmer, als die Stunde bereits begonnen hatte, und glitt auf einen Platz ganz hinten, während Violet ihren üblichen Platz auf dem Fensterbrett einnahm. Vor der Klasse stand Graham und hielt eine makellose und deutlich ungelesene Ausgabe von Zum Leuchtturm in der Hand, während ein blonder, adretter Junge mit einem Gesicht voller Sommersprossen vor der Klasse rittlings auf einem Stuhl saß.
    »Virginia Woolf war lesbisch«, verkündete Graham und wedelte mit seinem Buch, als wolle er seine Aussage damit belegen. »Hat denn keiner von euch Von Ewigkeit zu Ewigkeit gesehen? Sie hat mit ihrer Schwester rumgemacht!«
    Die Klasse brach in Gelächter aus, und eine lebhafte Diskussion über Nicole Kidmans operierte Nase entstand, während der Typ mit den Sommersprossen vom Stuhl aufstand, ihn vors Lehrerpult stellte und Platz nahm.
    »Danke für diese profunden Ausführungen, Graham«, sagte Sommersprosse, und Olivias Augen wurden groß, als ihr klar wurde, dass dies der Lehrer war. Sie fragte sich, wie dieser Klon von Dennis the Menace schon Lehrer sein konnte, als er sich umdrehte und mit zusammengekniffenen Augen in ihre Richtung blickte. »Und wer ist das?«
    Sechzehn Köpfe drehten sich zu ihr.
    »Es scheint, wir haben eine Fremde unter uns …« Sommersprosse marschierte die Wandtafel der ganzen Länge nach ab und zupfte dabei nicht existente Staubfussel von seinem Rautenpullunder. Olivia konnte nicht anders als zu denken, dass er aussah wie ein eifriger kleiner Junge, der die Kleidung seines Großvaters ausgeliehen hat. Ihre Mundwinkel zuckten, als sie sah, wie Violet ihre Brust vorstreckte, um ihn nachzuahmen.
    Olivia schüttelte den Kopf, um sich konzentrieren zu können, und wusste trotzdem nicht, wie sie anfangen sollte.
    »Hast … du … einen … Namen?«, fragte Sommersprosse und betonte jedes einzelne Wort, als spräche er mit

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