Drei Wunder (German Edition)
Flur und machte vorsichtig einen Schritt um eine kaputte Leiter auf dem Boden. Er hielt seine wuchtige Kameratasche so an sich gedrückt, wie es ein Supermodel vielleicht mit ihrem Schoßhündchen tat.
»Wow«, sagte er und reckte den Kopf nach oben zu den Rissen an der Decke.
Olivia ließ ihre Schultasche auf den Boden fallen und warf die Schlüssel in die Schale auf dem Flurtisch. Sie bedauerte bereits ihr Angebot, eine Filmszene für Whitleys Projekt in ihrem Garten zu drehen. Doch sobald Miles gesagt hatte, sie bräuchten einen Ort für die Gartenszene, irgendetwas üppig Bewachsenes und Überwuchertes, hatte sie gewusst, dass ihr vernachlässigter Garten der ideale Platz sein müsste.
Dennoch, hätte sie Miles nicht nach der Schule an der Haltestelle getroffen, dann hätte sie wahrscheinlich völlig vergessen, dass sie sich für heute zum Filmen verabredet hatten. Olivia hatte den größten Teil des Tages damit verbracht, sich ein heimliches Nachmittagsrendezvous mit Soren vorzustellen, vielleicht in einem abgelegenen Café oder bei einem Spaziergang. Sie hatte Soren den ganzen Tag in der Schule nicht gesehen und fragte sich schon, ob sie vielleicht zu viel in ihre gemeinsam verbrachte Zeit hineininterpretierte. Er hatte ja nicht einmal nach ihrer Telefonnummer gefragt oder so etwas. Vielleicht hatte er einfach nur mit jemandem reden wollen.
Olivia seufzte und sah das Katastrophengebiet, das ihr Zuhause war, durch Miles’ Augen. »Entschuldige, ich hätte dir sagen sollen, dass du einen Bauhelm mitbringen sollst oder so was.«
Miles lachte und legte seine Hand auf die Innenseite des Türrahmens der Kellertür. »Nein«, sagte er, »das Haus ist ja der totale Wahnsinn. Sieh dir das an! Das muss noch das ursprüngliche Gebälk sein, oder?«
Olivia zuckte mit den Schultern und kniete sich auf den Boden, um ihre Tasche zu durchsuchen. Ursprüngliches Gebälk? War das peinlich? Das Haus war alt, und nichts funktionierte. »Ich glaube, ich habe das Manuskript oben in meinem Zimmer gelassen«, erklärte sie und drehte sich zu der wackligen Wendeltreppe.
Miles beugte sich vor, um den Kamin zu inspizieren, der ebenfalls nicht funktionierte und Mac gegenwärtig als Werkzeugkiste diente.
»Zum Garten geht es durch die Küche«, erklärte Olivia und deutete zu dem großen Panoramafenster. »Ich bin gleich wieder da.«
Sie eilte hinauf in ihr Zimmer. Fast erwartete sie, Violet vorzufinden, doch dann fiel ihr ein, dass ihre Schwester sich den Nachmittag frei genommen hatte. Ihrer Meinung nach waren Hausaufgaben, genau wie die Sportstunde, nicht geeignet für die Gesellschaft eines Geistes. Es gab eine Andy-Warhol-Ausstellung im De Young Museum, die Violet sehen wollte, seit sie die Werbung dafür an einem Bus entdeckt hatte.
Olivia öffnete das Rolldeck ihres antiken Schreibtischs – das einzige Möbelstück, das sie sich selbst hatte aussuchen dürfen. Hier bewahrte sie alles auf, wofür sie bislang noch keinen Platz gefunden hatte – alte Tagebücher, halb beendete Hausaufgaben, Fotos, die sie noch nicht gerahmt hatte.
Schließlich hatte sie ihren Collegeblock entdeckt, als ihr Blick auf einem verknickten Foto landete. Sie zog das Foto heraus und drückte das Eselsohr mit dem Daumen zurück.
Es war im Sommer vor zwei Jahren gemacht worden, auf Martha’s Vineyard, an einem der ersten heißen Tage des Jahres. Sie hatten beschlossen, alle in Macs Motorboot hinauszufahren, einem launischen alten Fischerboot, das er schon gehabt hatte, noch bevor die Mädchen auf die Welt kamen, und tuckerten damit in der Bucht herum. Violet hatte herausgefunden, wie man den Selbstauslöser in Bridgets Digitalkamera einstellen konnte, und den Fotoapparat am Steuerrad festgeklemmt, so dass es ein Foto von ihnen zu viert gab, wie sie sorglos ins Sonnenlicht blinzelten.
Es war das einzige Foto, das Olivia von ihrer ganzen Familie hatte, auf dem alle lachten.
»Das sieht nach Spaß aus.«
Olivia zuckte zusammen und drehte sich um. Miles stand hinter ihr. »Du hast mich erschreckt.«
Er streckte die Hand nach dem Foto aus und setzte sich auf den Rand ihres Bettes. Olivia merkte, wie ihre Finger zitterten und ihre Wangen rot wurden. Sie hätte nicht sagen können, ob das daran lag, dass ein Junge auf ihrem Bett saß, oder weil dieser Junge auf ihrem Bett Miles war, oder weil dieser Junge auf ihrem Bett Miles war und ein Foto von ihr und Violet ansah … aber was immer es war, es war nicht gut. Gar nicht gut.
»Mann.« Er
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