Drei Wunder (German Edition)
Verabredung entsetzt war – »Wer geht denn mittags ins Kino?« –, hatte Olivia eine Bluse mit Puffärmeln, enge Jeans und ihre Ballerinas herausgelegt und dann beschlossen, zu Hause zu bleiben, um ihrer Schwester ihre Privatsphäre zu lassen.
Olivia dagegen war erleichtert gewesen, als Soren erklärt hatte, dass er am Samstagabend mit der Band proben müsste und deshalb in die Mittagsvorstellung wollte. Es machte ihr weniger Angst, sich mit ihm zu treffen, wenn die Sonne noch schien. So konnte die Verabredung beinahe als etwas durchgehen, weswegen sie nicht nervös sein musste.
Was nicht bedeutete, dass ihr Magen nicht flatterte, als sie von der Guerero Street abbog und die riesige Leuchtschrift des Roxie vor ihr auftauchte.
Soren war die einzige Person, die draußen stand, an ein Plakat eines französischen Films gelehnt, der von einem Zwerg mit einem Leguan als Schoßtier handelte. Soren hatte kleine weiße Kopfhörer im Ohr und nickte zum Rhythmus, als Olivia neben ihn trat. Es war ein warmer Tag, sonnig und trocken, aber im Schatten fröstelte Olivia und bedauerte bereits, dass sie ihre Jacke zu Hause gelassen hatte.
»Hallo«, sagte sie schüchtern, und als er sich nicht umdrehte, tippte sie ihm auf die Schulter.
Soren zuckte zusammen und zog sich die Kopfhörer aus den Ohren.
»Hallo!« Er lächelte. Seine Jacke war offen, und darunter trug er ein rot-weiß-kariertes Hemd und Jeans, die locker saßen, aber auch nicht zu weit waren. Sein Haar war noch feucht von der Dusche, und als er sich zu ihr drehte, konnte sie sein Shampoo riechen.
»Die Karten habe ich schon«, sagte Soren und nickte mit dem Kopf, ihm hinein zu folgen.
Die Lobby war leer, und Olivia sah sich die alten Kinoplakate und die Ankündigungen an. Während sie für Popcorn anstanden, erklärte Soren, dass das Little Roxie ein kleinerer Vorführraum direkt neben dem großen Kino war, speziell um Independentfilme und ausgefallene Dokumentationen zeigen zu können, die nur ein kleineres Publikum interessierten.
Der Vorführraum war tatsächlich winzig und erinnerte Olivia an einen privaten Keller, mit klapprigem Mobiliar und einem überdimensionalen Fernsehbildschirm statt einer Leinwand. Bis auf ein paar ältere Damen in der ersten Reihe war der Raum leer, aber Soren sah sich übertrieben um und machte eine Show daraus, den perfekten Platz zu finden. Olivia lächelte, als er sie zu einem kleinen mit Samt überzogenen Sofa in der hinteren Ecke führte, das aussah, als rieche es nach Kölnischwasser und alten Zigarren. Glücklicherweise war es nicht so.
»Ich will diesen Film schon eine ganze Weile sehen«, sagte Soren und blickte gespannt nach vorne zum dunklen Bildschirm. Er ließ sich tief in den Sitz sinken. Olivia setzte sich neben ihn und atmete erst einmal tief durch, als sie Soren versehentlich mit ihrer Hüfte streifte.
»Worum geht es denn genau?«, fragte Olivia, und ihr wurde voller Verlegenheit klar, dass sie noch nicht einmal gefragt hatte, was sie sich ansahen.
»Es geht um diese …«, fing Soren an, verstummte jedoch, als eine der alten Damen aus der vorderen Reihe sich zu ihnen umdrehte.
»Scht!«, forderte sie empört, und die schmale Perlschur, die an ihrem Brillengestell angebracht war, verfing sich in ihrer Dauerwelle. Soren blickte sich demonstrativ in dem immer noch hellerleuchteten Kino um und schaute genauso nachdrücklich auf die leeren Reihen zwischen ihnen, bevor er sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu Olivia drehte. Die musste sich beherrschen, nicht laut aufzulachen.
»Ich war schon ewig nicht mehr im Kino«, flüsterte sie, und sie beugten die Köpfe näher zu einander. Plötzlich war Olivia unglaublich dankbar, dass sie Violets Rat angenommen hatte, auf dem Hinweg ein Kaugummi zu kauen, das sie draußen diskret in einen Mülleimer geworfen hatte.
»Wirklich?«, flüsterte Soren zurück. »Ich gehe ständig. Manchmal verstecke ich mich und bleibe den ganzen Tag.«
»Violet und ich haben das auch immer gemacht«, sagte Olivia, offenbar zu laut für die Damen in der vordersten Reihe, die sich wieder zu ihnen umdrehten. Olivia biss sich auf die Lippen, als sie merkte, was sie gerade gesagt hatte.
»Violet?«, fragte Soren lächelnd. »War das deine Freundin, dort, wo du herkommst?«
Olivias Magen verwandelte sich in einen kleinen harten Knoten. Nicht, dass sie Soren nicht traute oder dass sie es nicht aussprechen konnte. Es hatte wohl etwas mit dem Bild zu tun, das sie von sich selbst hatte, wenn sie
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