Drei Wunder (German Edition)
den Nacken und sah hinauf zum Himmel. Es gab ein paar Sterne, die durch hauchdünne Wolken auszumachen waren, doch nicht genug, um die Sternbilder zu erkennen.
»Was hast du mir versprochen?«, fragte Violet und legte ihrer Schwester einen Arm um die Schulter. »Weißt du nicht mehr? Bei der Gala? Du hast versprochen, lockerer zu werden und dir auch mal was zu wünschen.« Violet sah hinaus aufs Wasser und drückte die Schulter ihrer Schwester.
»Aber was, wenn es nicht funktioniert?«, fragte Olivia und folgte Violets Blick hinaus auf die Bucht. Im Restaurant am Ufer schloss gerade ein Kellner die Sonnenschirme und stellte die Plastikstühle zusammen, machte anscheinend für heute Abend Schluss. Violet holte tief Luft und lächelte, und Olivia meinte, ein schelmisches Lächeln in den Augen ihrer Schwester gesehen zu haben.
»Vertrau mir«, sagte Violet und stieß Olivia sanft in die Seite. »Es wird schon gut gehen.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte sie leise.
»Ja.«
Olivia merkte, wie die Spannung in ihren Schultern nachließ, und lächelte. Das komische Gefühl im Bauch, das ihr schon den ganzen Abend zu schaffen machte, löste sich langsam auf. Es war, als hätte ihre Schwester ihr auf wundersame Weise eine Last von den Schultern genommen.
22
Alles was nötig war, war ein einziger Tag, an dem Olivia versuchte, so zu tun, als wäre nichts zwischen ihr und Soren, damit ihr ganz automatisch klarwurde, dass sie »zu viel erwartete«. Jedes Mal, wenn sie in der Schule auch nur einen Blick auf ihn erhaschte – durch die Tür zum Sprachlabor oder wie er in der Pause auf seinem Skateboard im Hof seine Tricks vollführte –, bekam sie Herzflattern.
Entschlossen, zumindest ein zufällig-absichtliches Zusammentreffen herbeizuführen, hatte Violet Sorens Stundenplan ausspioniert und Olivia – kurz bevor der Gong Sorens Schulschluss einläutete – im Aufenthaltsraum im ersten Stock platziert. Auf diese Weise, erklärte Violet, konnte Olivia ihm zufällig begegnen, während sie völlig unschuldig an ihren Hausaufgaben saß, das Mathebuch offen auf ihrem Schoß.
»Bin ich froh, dass ich dich gefunden habe«, ertönte plötzlich eine leise Stimme hinter Olivias Schulter. Olivia sah von ihren Gleichungen auf, als Calla sich auf der anderen Seite des Tisches aufs Sofa fallen ließ.
»Hallo, Calla!«, rief Olivia aus und bemühte sich, das Rauschen in ihren Ohren zu ignorieren und ihren Puls wieder unter Kontrolle zu bringen. Violet wirbelte herum, die Augen besorgt aufgerissen. Das war nicht gerade die zufällige Begegnung, an die sie gedacht hatten. »Was gibt’s?«
Auf den ersten Blick schien Calla okay zu sein. Ihr Haar war frisch gewaschen und glänzte. In ihren engen Jeans, einem weichen weißen Pulli und mit einem Gewirr von langen Kupferketten sah sie schick wie immer aus. Das einzig Merkwürdige an ihr war die übergroße schwarze Sonnenbrille, die sie auch innerhalb des Gebäudes trug.
»Hast du heute Nachmittag schon etwas vor?«, fragte Calla, wühlte in ihrer Tasche nach ihrer Wasserflasche. Olivia blickte zu Violet, die zu verblüfft schien, um irgendwie helfen zu können, und dann zurück zu Calla, die einen großen Schluck Wasser nahm und seufzte, als sei sie dem Verdursten nahe gewesen. »Ich könnte wirklich deine Hilfe gebrauchen, bei dieser Spendenaktion, die wir für den Secondhandladen anleiern wollen. Wir haben heute nach der Schule unser erstes Komitee-Treffen und es wäre toll, wenn du dabei sein könntest.«
Olivia nahm aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr, und als sie aufschaute, sah sie Violet nachdrücklich den Kopf schütteln und abwehrend mit den Händen wedeln.
»Oh«, stotterte Olivia. »Das hört sich toll an, aber leider …«
»Die Sache ist die«, flüsterte Calla, während sie sich über den Tisch beugte, »Lark und Eve wollen auch helfen, und ich weiß, sie tun ihr Bestes. Es ist nur … na ja, normalerweise mach ich lieber alles selbst, aber ich hatte irgendwie ein … wahnsinniges Wochenende …«
Was genau meinte sie mit wahnsinnig? Wahnsinnig viel los? Oder wahnsinnig traurig? Olivia verspürte einen Stich in der Magengegend, als sie sich vorstellte, wie Calla nach der Gala ihren Freundinnen erzählte, was passiert war … dass mit Soren Schluss war.
Calla schüttelte leicht den Kopf, der Geruch von Vanille-Shampoo lag in der Luft. Dann, mit einer zögernden Bewegung, zog sie ihre Sonnenbrille ab. Sie sah Olivia in die Augen, und Olivia konnte erkennen, dass
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