Drei Wunder (German Edition)
sah Miles ins Gesicht. Er sah nicht mehr so wütend aus, nur verletzt und enttäuscht, was noch schlimmer war.
»Wie auch immer«, sagte er leise. »Ich bin alleine gefahren. Ich habe ein paar gute Aufnahmen gemacht. Vielleicht willst du sie dir ja gelegentlich mal ansehen, wenn dein Terminkalender es zulässt …«
Olivia merkte, wie ihr die Luft wegblieb, und sie wollte sich noch einmal voller Nachdruck entschuldigen, als sie über Miles’ Schulter hinweg Calla entdeckte.
»Miles«, sagte sie und legte eine Hand auf seinen knochigen Ellbogen. »Es tut mir wirklich unheimlich leid, aber ich muss gehen. Ich ruf dich später an, und wir arbeiten dann diese Woche an dem Projekt, ich verspreche es. Okay?«
Sie hätte gerne auf Miles’ Antwort gewartet oder ihm zumindest dabei in die Augen gesehen, doch es ging nicht. Noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, schob sie sich schon an ihm vorbei, bahnte sich ihren Weg durch die Eingangshalle und kam an der Empfangstheke an, gerade als Calla sich umdrehte.
»Calla«, sagte Olivia. »Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe. Ich muss wirklich …« Olivia hörte mitten im Satz auf und hielt die Luft an. Weinte Calla etwa?
»Olivia«, stieß Calla hervor, bevor sie das Gesicht verzog, ihre Unterlippe anfing zu zittern und ihr die Tränen die Wangen hinabrollten. Sie schüttelte den Kopf, ihr dunkles Haar schwang wie ein Vorhang vor ihr Gesicht. Dann drehte sie auf dem Absatz um und rannte den Flur entlang, ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben.
Olivia stand da und fing Bess’ besorgten Blick auf.
»Vielleicht solltest du dich um sie kümmern.« Bess deutete auf die Mädchentoiletten, die sich gleich um die Ecke befanden.
Olivia nickte und ging durch die überfüllte Halle.
»Calla?«, rief sie leise, während sie vorsichtig die Tür öffnete.
Calla stand schluchzend am Waschbecken.
»Was ist denn passiert?«, fragte Olivia, ihre Stimme war dünn und schüchtern. Sie weiß schon Bescheid. Eve muss es herausgefunden haben. Calla weint, und es geht ihr schlecht, und es ist alles meine Schuld.
Calla ließ das Wasser laufen und hielt ihre Hände darunter, formte die Handflächen zu einer Schale und spritzte sich das Wasser ins Gesicht. Olivia hielt die Luft an, bis Calla den Hahn abdrehte und sich gegen die Mauer unter dem Fenster lehnte.
»Etwas Furchtbares«, sagte sie langsam. »Als ich gestern Abend nach Hause gekommen bin, war mein Dad gerade dabei zu packen. Er zieht aus.«
Während Calla sprach, spürte Olivia, wie ihre Lungen sich langsam wieder mit Luft füllten und ihr Herzschlag sich so weit stabilisierte, dass er seine normale Funktionen wieder erfüllen konnte. So schrecklich es war, konnte Olivia nicht anders, als erleichtert zu sein, dass Callas Tränen nichts mit ihr zu tun hatten.
»Diesmal ist es für immer … ich spüre es«, stieß Calla zwischen kleinen Schluchzern hervor, und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Er ist bereits zu seinem Büro in Griechenland abgereist. Ich wette, er kommt nicht mehr zurück.«
Olivia kam einen Schritt näher zum Waschbecken und legte ihre Hand auf Callas Schulter, die vor Schluchzern zuckte.
»Und ganz bestimmt kommt er nicht rechtzeitig zur Modenschau«, schniefte Calla. »Aber eigentlich ist das total egal. Es ist noch so viel zu tun, und ich bin so ein Wrack …«
Olivia legte einen Arm um Callas Schultern und zog sie in eine Umarmung. Callas Körper zuckte unkontrolliert. Wie sollte sie Calla jetzt von Soren erzählen?
»Alles wird gut werden«, sagte Olivia leise. »Wir haben noch eine ganze Woche, um die Modenschau vorzubereiten. Und das ist genau das, was wir tun werden.«
Calla blickte auf, ihre großen Rehaugen voller Hoffnung, und nickte.
»Alle werden darüber reden«, sagte Olivia lächelnd. Was Calla jetzt brauchte, war Hilfe. Und nach allem, was Olivia hinter ihrem Rücken schon getan hatte, war sie ihr diese Hilfe mehr als schuldig. »Dein Dad wird völlig fertig sein, wenn ihm erst mal klar wird, dass er das gesellschaftliche Ereignis des Jahrhunderts verpasst hat.«
Calla legte den Kopf an Olivias Schulter und versuchte, ein tapferes Lächeln aufzusetzen.
»Du hast recht.« Calla wischte sich die letzten Tränen von den Wangen. »Du hast total recht. Wir müssen uns auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren.« Sie begegnete Olivias Blick im Spiegel. »Wie zum Beispiel, was wir anziehen werden.«
34
»Mommy ist wieder da!«
Es war Freitagnachmittag, und Olivia
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