Drei Wunder zum Glück (German Edition)
Servietten sprangen vom Metallrand und fielen auf den Gehsteig.
»Ich meine, du hast doch einen Freund, oder? Emmett sagte ja so was …«, bohrte Hazel nach. Sie wusste, dass sie vielleicht nicht so nachbohren sollte, aber sie konnte einfach nicht anders.
»Technisch gesehen, ja.« Jaime seufzte, stand langsam auf und beugte sich über das Geländer, um die zerknüllten Servietten wieder aufzuheben. »Reid. Aber ich habe ihn ja seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen. Und von der anderen Seite des Atlantiks aus kann er jetzt sowieso nicht viel tun.«
Hazel schwirrte der Kopf. Ihr Vater. Reid. Sie hatte einen Vater namens Reid. Wer war er? Wie war er?
»Was macht er denn dort?« Von all den Fragen, die sie stellen wollte, schien diese am wenigsten verdächtig.
Jaime seufzte wieder und fuhr sich mit den Fingern durch ihr lockiges dunkles Haar. Was immer sie gerade dachte, es sah aus, als sei es schmerzhaft. »Er arbeitet in einem Fußballcamp in England«, sagte sie und machte eine Pause, bevor sie hinzufügte: »Er wird im Herbst bei Dartmouth spielen. Ich dachte, wir hätten wenigstens diesen Sommer zusammen, aber dieses Camp war wohl ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte.«
Hazel sah Jaime in die Ferne starren. Es war offensichtlich, dass sie mit den Gedanken weit weg war.
»Aber er kommt doch zurück, oder?«, fragte Hazel, und die Hoffnung in ihrer Stimme war unüberhörbar.
Jaime zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht«, erwiderte sie. »Er ist ein Ferienkind. Und das heißt, dass es bloß ein blöder Sommerflirt war.«
Jaimes Gesichtsausdruck veränderte sich, und sie sah schnell auf ihre Uhr.
»Mist«, sagte sie, zog sich hoch und sprang auf den Gehsteig. »Ich muss mich beeilen. Eiscreme für die Massen.«
»Warte«, bat Hazel. Sie wollte mehr wissen. So viel mehr. Natürlich konnte sie all diese Fragen, die in ihr brodelten, auch später noch stellen, aber schließlich hatte sie bereits achtzehn Jahre gewartet. Jetzt, wo sie angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören. »Wohin willst du denn gehen? Ich meine, wenn sie die Farm verkauft haben?«
Jaime fasste das hölzerne Treppengeländer und drehte sich zu ihr um, die dichten Locken fielen nach hinten. »So wie ich Rosanna kenne, und glaub mir, ich kenne sie, kommt für sie nichts anderes in Frage, als dass ich mit ihnen nach Kalifornien gehe.« Jaime zuckte mit den Schultern. »Deshalb wollte ich es ihr auch noch nicht erzählen. Deshalb und damit sie mich nicht ständig bemuttert.«
Hazel schluckte und lehnte sich näher zu Jaime. »Und was ist mit dem Baby?«, fragte sie leise. »Weißt du, was du tun wirst?«
Jaime legte das Kinn auf das Geländer, und ihr Blick schien auf einmal weit weg. »Noch nicht so richtig«, sagte sie und kratzte sich am Ellbogen, wo sie einen riesigen Mückenstich hatte. »Ich meine, ich werde es bekommen, wenn es das ist, was du wissen willst.«
Hazel nickte. Sie fühlte sich erleichtert, auch wenn das vielleicht albern war. Natürlich würde Jaime das Baby bekommen.
»Aber ich werde es wahrscheinlich weggeben müssen«, fuhr Jaime fort. »Ich bin nicht direkt aus dem Holz, aus dem Mütter sind, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest.«
Jaime lachte, ein raues kleines Krächzen, das nicht echt klang. Hazel zwang sich zu einem Lächeln, als Jaime die Hände in die Luft warf und loslief.
»Wir werden sehen«, sagte sie. »Wahrscheinlich wäre es nicht das Allerschlimmste auf der Welt, in San Francisco zu wohnen«, rief sie über ihre Schulter. »Wir könnten Nachbarn sein oder so.«
Hazel schluckte und lehnte sich auf der Treppe zurück. »Oh«, stieß sie hervor. »Stimmt ja.«
»Bis später«, rief Jaime, die jetzt schon die Straße überquerte, einen Arm in der Luft, und Hazel hob die Hand zu einem zögernden Winken.
Was sollte sie nur tun? Sich einfach zurücklehnen und zusehen, wie Jaime ihre Entscheidungen traf, eine nach der anderen? Entscheidungen, die schließlich dazu führen würden, dass sie Hazel in San Francisco zur Adoption freigab? Das kam Hazel jetzt nicht nur unmöglich, sondern auch absolut unfair vor. Sie hatte sich nicht gewünscht, ihre Mutter kennenzulernen, nur um zuzusehen, wie sie all die furchtbaren Fehler beging. Wer würde sich denn so etwas wünschen?
Eine Frau in einem Kleid mit Paisleymuster stieg langsam die Treppe zum Karussell hinauf. Sie hielt zwei rotbackige Kleinkinder an den Händen, einen Jungen von etwa vier und ein Mädchen von ungefähr zwei
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