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Drei Wunder zum Glück (German Edition)

Drei Wunder zum Glück (German Edition)

Titel: Drei Wunder zum Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Bullen
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schweigend und rutschten nur mal ans Geländer, als neue Fahrgäste hoch zum Karussell liefen.
    »Wahrscheinlich werde ich die Insel schon irgendwie vermissen«, seufzte Jaime plötzlich und drehte ihr Brötchen, um besser abbeißen zu können. Sie sagte es so unvermittelt, als wären sie gerade mitten in einer Unterhaltung.
    »Wohin willst du denn gehen?«, fragte Hazel und konnte ihre Neugier kaum verbergen. Der ganze Satz kam in einem einzigen Atemzug, und ihre Stimme klang ziemlich hoch.
    Jaime zuckte wieder mit den Schultern. »Hier kann ich nicht bleiben«, sagte sie. »Wenn Rosanna und Bill die Farm verkaufen, habe ich weder einen Job noch eine Wohnung.«
    »Was ist denn mit deiner Familie?«, fragte Hazel. Jaime hatte noch nie erwähnt, woher sie kam. Es schien, als wohne sie schon ewig bei Rosanna, und Hazel hatte immer den Eindruck, Fragen darüber seien unerwünscht.
    Jaime verdrehte die Augen. »Familie?«, gab sie gereizt zurück. »Mal sehen. Da wäre meine Mom , aber die ist seit meinem vierten Lebensjahr in Indien. Auf der Suche nach Buddha oder der perfekten Lotusblume oder solchem Zeug.«
    Hazel hing geradezu an Jaimes Lippen. Sie hatte eine Großmutter, wurde ihr plötzlich klar. Eine in Indien umherreisende Großmutter zwar, aber immerhin.
    Jaime wedelte mit ihrem Brötchen, winzige Stückchen Hummerfleisch fielen auf die Stufen. »Oder vielleicht meinst du auch meinen Dad . Ihn könnte ich natürlich anrufen, aber dann müsste ich schon zusehen, dass ich ihn zwischen acht und halb neun morgens erwische. Das ist im Großen und Ganzen die einzige Zeit, zu der er nüchtern genug ist, um sich an meinen Namen zu erinnern.«
    Jaime schüttelte den Kopf. »Ich müsste mich aber vorher erst mal erkundigen, wo er gerade wohnt. Das Letzte, was ich über ihn hörte, war, dass er bei einem Freund auf dem Sofa schläft, irgendwo hinter einer Tankstelle in New Bedford.«
    Hazel schluckte schwer und blickte die Holztreppe hinab. Jaimes Mutter hatte sie verlassen, und ihr Vater war Alkoholiker. Das war nicht genau ihre eigene Geschichte, aber sie kam ihrer dennoch irgendwie nahe. Vielleicht stimmte diese Redewendung vom Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt. Wenn das Hazels Stamm war, was sagte es dann über sie aus?
    Sie sah wieder zu Jaime. »Wie bist du denn dann zu Rosanna gekommen?«
    »Meine Großmutter«, sagte Jaime. Der Ausdruck ihrer Augen veränderte sich und wurde ganz warm. All die Bitterkeit in ihrer Stimme war plötzlich verschwunden. »Ich habe in ihrem Stamm gelebt, bis ich elf war.«
    »Im Stamm?«, fragte Hazel neugierig.
    »Wir sind Wampanoag«, erklärte Jaime. »Auch hier auf der Insel waren die Indianer die Ersten, genau wie überall sonst. Oben in Gay Hear gibt es ein Reservat. Keine Sorge, steht auch noch auf dem Programm.«
    Hazel nickte und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, langsam und gleichmäßig zu essen. Aber ihr Magen schien sich in eine Brezel verwandelt zu haben, und sie hatte plötzlich Angst, sich zu verschlucken.
    Wenn Jaime eine Wampanoag war, dann war sie auch eine Wampanoag.
    »Sie war eine Künstlerin, wie Rosanna«, fuhr Jaime fort. »Sie hat den Quilt gemacht, der auf meinem Bett liegt.«
    Jaime wischte ein paar Krumen von ihrem Schoß. Hazel dachte an ihren ersten Tag auf der Insel, als Jaime sie dabei erwischt hatte, wie sie sich im Zimmer umsah. Jaime hatte sie nicht angefahren, weil sie gemein war, sondern weil der Quilt etwas Besonderes war. Er gehörte zu den wenigen Dingen, die ihr von ihrer Familie geblieben waren.
    »Na ja, jedenfalls waren sie und Rosanna Freundinnen«, fuhr Jaime fort. »Und Rosanna versprach meiner Großmutter vor ihrem Tod, sich um mich zu kümmern. Ich denke, das ist wohl das Gute an dieser Insel«, sagte sie und zog die Knie an die Brust. »Selbst wenn du keine Familie hast, findet sie eine für dich.«
    Die verschiedensten Gedanken bestürmten Hazel. Es war, als sei ein Damm geöffnet worden und die Fragen drängten nur so heraus. Eine davon interessierte sie ganz besonders. Die Antwort darauf war die einzige Erklärung, wie sie zum Teil Indianerin sein konnte und dennoch rotbraunes Haar, blaue Augen und eine so blasse Haut haben konnte.
    »Was ist denn eigentlich mit dem … ähm, Vater?«, schaffte Hazel es hervorzustoßen. Ihr Mund war trocken. »Dem Vater deines Kindes, meine ich. Wer ist er denn?«
    Jaime ballte den Rest der Servietten in einer Hand zusammen und warf sie in eine überquellende Mülltonne an der Ecke. Die

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