Drei Wunder zum Glück (German Edition)
gleichmäßiger, und Hazel zog langsam die Tür hinter sich zu.
»Hab dich lieb, Hazel«, hörte sie Jaime sagen, als die Tür beinahe geschlossen war.
Hazel zog sie vollends zu und blieb daneben stehen, eine Hand gegen den Rahmen gedrückt. »Ich dich auch«, flüsterte sie.
32
Die Fähre war fast leer, als Hazel an Bord ging. In den Kabinen unter Deck hielten die wenigen ersten Pendler vor ihren Frühstücksdosen ein Nickerchen. Hazel verspürte einen kleinen Anflug von Neid, als sie an ihnen vorbeiging. Welches Glück sie doch haben, dachte sie, am Ende des Tages hierher zurückkommen zu dürfen.
Sie stieg die Treppe hinauf, ging an der Snackbar vorbei und lächelte die Frau hinter einer Reihe dampfender Kaffeetassen an. Sie trug eine pinkfarbene Uniform aus Baseballkappe und Shirt und wischte gerade Brösel von der Theke. Hazel dachte ans Essen. Wer wusste, wann sie wieder Gelegenheit dazu hatte? Andererseits war sie viel zu nervös, um irgendetwas essen zu können.
Sie war aus einem bestimmten Grund hier.
Hazel drückte die schwere Stahltür auf, und ein Windstoß empfing sie.
Die meisten der blauen Plastikstühle vorne im Bug waren frei. In einer Ecke stand ein Mann mit einer Baseballkappe der Boston Red Sox und hob einen kleinen Jungen hoch zur Reling. Der Kleine hatte einen dunklen Haarschopf und hielt ein Stück Brot in der Hand. Immer wieder tauchte eine Möwe aus dem Himmel herab und versuchte, es zu greifen, dann kreischte der Junge auf und zog die Hand schnell wieder zurück. Schließlich nahm der Mann das Brotstück selbst und hielt es weit über den Kopf des Jungen hinaus. Der klatschte begeistert, als die Möwe es sich schließlich holte. Er hatte letztlich die ganze Zeit nur zusehen wollen.
Hazel lächelte, als sie den schmalen Gang seitlich der Fensterfronten entlangging und sich einen ruhigen Platz in der Mitte zwischen Bug und Heck suchte.
Es war ein schöner, klarer Morgen, mit sehr wenig Nebel, und es kam ihr vor, als könnte sie bis zurück zu Rosannas Haus sehen, wenn sie sich nur genug anstrengte. Das Hafenstädtchen war noch verschlafen, der Strand leer, und auf den Straßen waren nur ein oder zwei Autos zu sehen.
Hazel legte ihre Tasche auf die Reling und holte die Kamera heraus. Sie hielt sie hoch und versuchte, so viel wie möglich von der Insel einzufangen. Als das Foto herauskam, hielt sie es in den Wind zum Trocknen.
Es war überraschend warm, trotz der frühen Stunde, und dennoch war Hazel froh, immer noch Lukes Jacke zu tragen. Sie hatte vorgehabt, sie auf sein Bett in der Scheune zu legen – zusammen mit dem Foto von sich, das Reid damals am Strand gemacht hatte –, aber dann hatte sie es in der Eile vergessen.
Und sie war froh, etwas zu haben, was das Kleid bedeckte. Es war nicht direkt ein Outfit, das man als Reisekleidung bezeichnen würde, schon gar nicht so früh am Morgen.
Hazel sah zu, wie das verschwommene Bild auf dem Foto langsam zum Vorschein kam. Sie hörte Stimmen am Kai, die Leinen wurden gelöst, und die Maschine, der Motor unter ihren Füßen, brummte lauter. Sie blickte hoch und sah, wie sich das Wasser zwischen ihr und dem Kai ausbreitete. Einen Moment lang schien es, als zöge sich die Insel selbst zurück, schwämme zum Horizont und verschwände im Meer.
Sie blickte ein letztes Mal zur Insel, verglich die Wirklichkeit mit der Abbildung in ihrer Hand, bevor sie das Foto vorsichtig zu den anderen in ihre Tasche steckte. Sie stellte sie auf den Boden neben ihre Füße und schlüpfte aus Lukes Jacke. Sie faltete sie zweimal, legte sie auf ihre Tasche und drehte sich dann zur Reling zurück.
Die Insel war jetzt nur noch ein schimmernder Landstreifen, Gras, Sand und winzige Häuser. Hazel schloss die Augen und atmete tief ein. Die salzige Meeresluft füllte ihre Lungen, kitzelte in der Nase und trocknete ihre feuchten, tränenverklebten Augenwinkel.
Sie dachte an Luke, der wahrscheinlich immer noch am Strand schlief. Und an Rosanna und Billy, die aufwachten, um ihren letzten Morgen im Haus zu genießen. Sie dachte an Maura und Craig, die aufstanden, um die Tiere zu füttern.
Sie dachte an Jaime und berührte instinktiv die Muschelkette an ihrem Hals.
Sie hatte sich gewünscht, ihre Mutter kennenzulernen. Und dieser Wunsch war in Erfüllung gegangen. Was auch immer passierte, das bliebe ihr. Es war ein Geschenk, das zu bekommen sie sich niemals erträumt hätte. Vielleicht würde sie die Insel oder Jaime nie wiedersehen, aber darauf kam es nicht an.
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