Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
der Kerl immer noch nach?«
»Welcher Kerl?«, frage ich irritiert.
»Na, der Batzi doch, der dich anfassen wollte da hinten an derSchwedenbrücke. Dem du gerad’ so ausgekommen bist. Er muss es mitgekriegt haben, als ich dem Kutscher unsere Adress’ genannt hab. Du bist ja net viel ausgegangen die letzte Zeit. Aber ich seh ihn immer mal wieder auf der anderen Straßenseiten stehn. So einer mit Trachtenjacke. Der lauert auf dich. Der hat’s auf dich abgesehen.«
Ich starre ihn an. Wie konnte ich so blind sein! Natürlich! Dieser Mensch in der Joppe – das ist der Gleiche, gegen den ich mich wehren musste in dieser schlimmen Nacht, da am Kiosk ... (»Schrei doch, Schätzchen! Ich hab’s gern, wenn eine zu Anfang schreit!«)
Da ist es. Dieses Scheußliche nach dem Kabarett. Diese Bedrohung und sie vermischt sich in meiner Erinnerung mit einer anderen Bedrohung ...
Wir gehen durch die Straßen Berlins, mein Liebster und ich. Es schneit. Die dicken Flocken bleiben liegen auf seinem lockigen Haar. Wir sind glücklich.
Und dann sagt er: »Da ist er wieder. Mein Schatten.«
Es ist der, den ich schon im Theater gesehen habe, der immer wieder auftaucht. Der ihn verfolgt, schon seit Tagen.
Und Schlomo dreht sich um, geht mit energischen Schritten auf ihn zu. Ich bleibe einfach stehen und bin wie gelähmt. Sehe, wie er dieses Phantom an den Aufschlägen des Mantels packt, heftig etwas sagt, es schüttelt und gegen die nächste Hauswand wirft.
Ich aber stehe da und schlottere. Das da, das hat kein Gesicht. Das ist nur eine weiße Scheibe. Es verschwimmt vor meinen Augen. Ich bin kurz davor, ohnmächtig zu werden.
Das Phantom, der »Schatten« flüchtet. Aber er ist nicht auf immer vertrieben.
Bald ist er wieder da und lauert unter den Fenstern unseres Hauses. Die Gestalt ohne Gesicht. Die Hand mit der Pistole.
Was hat Hanna gesagt: »Für jedes Zeichen ein Leben.« –
»Leonie! Jessasmaria, ja, was ist dir denn?« Anton hat mich am Arm gepackt und rüttelt mich. »Du warst ja ... warst ja ganz weggetreten für an Moment! Und bleich bist wie die Wand!«
Ich sehe ihn an wie erwachend. Er sitzt da mit gerunzelter Stirn, aus seinen Augen spricht echte Sorge.
»Das hat mir einfach nur einen Schreck eingejagt, das mit diesem Kerl«, sage ich und versuche zu lächeln.
»Wegen so an blöden Spanner? Wenn er wieder da ist, sag ich dem Joseph Bescheid, der jagt ihn weg.«
»Lass den aus dem Spiel«, erwidere ich. »Das ist eine Sache, mit der muss ich allein klarkommen. Ich kann mich schon wehren. Es war nur – mir sind ein paar schlimme Erinnerungen in die Quere gekommen.«
Plötzlich legt er den Arm um mich. »Es könnte so schön sein mit euch beiden Frauen, der jungen und der nicht ganz so jungen«, sagt er. »Aber immerzu nur seid’s bekümmert oder zornig oder gleich beides. Und hinter allem steckt dies goldene Ding, ist es nicht so?«
Ich kann schlecht widersprechen. Antworte nichts, dulde, dass er mich im Arm hält.
Plötzlich beginnt er, seinen Daumennagel zu malträtieren. »Ich würd schon gern was tun«, murmelt er.
Ich muss lachen.
»Was denn? Glaubst du, dein Einfluss auf Felice ist so groß, dass sie dir nachgibt?«
»Außer Einfluss gibt’s auch noch anderes«, sagt er. Es klingt rätselhaft. Aber ich frage nicht nach.
Er beugt sich zu mir. »Weißt du, was? Du riechst genau wie sie – außer natürlich, wenn sie Parfüm aufgelegt hat.« Er lacht ein bisschen.
Schnell mache ich mich los. »Ich geh jetzt rein.« Marschiere ebenfalls über den Rasen auf meinen Anbau zu.
»Und wegen dem Kerl da, dem Spanner, da mach dir keine Sorgen. Darfst halt erst einmal nicht allein ausgehen, ich kann dich ja begleiten!«, ruft er mir nach. »Glaub mir, der verschwindet auch wieder.«
Ich nicke. –
Von wegen nicht allein aus dem Haus gehen! Ich bekomme eine Einladung in die Kostümabteilung des Theaters. Man will meine Maße haben!
Wunderbar. Wenn ich mir bisher beim Gedanken an dieses Engagement immer noch wie im Reich der Träume vorkam: So etwas wie Maßnehmen fürs Kostüm ist handfeste Realität.
Also verlasse ich das Haus und stelle mit Genugtuung fest, dass mein »Spanner« nicht da ist. Hat’s wohl wirklich aufgegeben. Ist ihm zu langweilig geworden. Ich begebe mich ins Josefstädter Theater; noch hat mich der Pförtner als Besucherin auf der Liste, aber bald werde ich freundlich grüßend und gegrüßt ins Haus spazieren als ein Ensemblemitglied!
In der Schneiderei empfangen mich eine
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