Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
ich mir hier eine kleine Wohnung suchen, nachdem ich meinen Vertrag in der Tasche habe. Es ist nah zum Theater und nicht zu weit nach Hietzing, wenn ich, wie ich doch hoffe, weiter Unterricht bei Felice nehmen kann. Es wird einen Theaterdonner geben, wenn sie von meinem Engagement erfährt und von einer eigenen Wohnung, das denke ich schon. Aber schließlich braucht sie ja Gastons Geld und sie wird weitermachen. Irgend wann werden wir uns zusammenraufen.
Die Spitzacker-Gasse. Da ist das Restaurant.
Ein paar ausgetretene Steinstufen führen zu einer schmalen verglasten Tür hoch; an den Fenstern hängen trauliche Spitzengardinen. Sieht nicht nach etwas Besonderem aus.
Ich bleibe vor der Tür und tripple hin und her, in Erwartung Danny Goldsteins.
Inzwischen geht immer wieder die verglaste Tür; Gäste kommen. Ich werde langsam unruhig. Nicht dass nachher alles besetzt ist. Aber Danny wird ja sicher reserviert haben.
Und da kommt er auch schon. Eilt die Straße entlang auf mich zu, ein bisschen vornübergebeugt, und als er mich sieht, erscheint ein fröhliches Lächeln auf seinem Gesicht.
»Leonie!« Küsschen rechts und links. »Schön, dass du schon da bist. Ich verspreche dir eine Überraschung.«
Ja, eine Überraschung wird es allerdings. Aber eine andere als erwartet. –
Drinnen sind die Tische aus rohem dunklem Holz, alles ganz einfach, ein gewöhnliches Beisel eben.
Bis auf den Geruch.
Diesen Geruch kenne ich. Der Geruch überfällt mich ...
Zu dieser Zeit ist das Lokal nur mäßig besucht. Danny Goldstein strebt einen Tisch am Fenster an und studiert die handgeschriebene Speisekarte, die ihm der dürre Kellner beflissen bringt – gleichzeitig wischt er mit der Serviette über den Tisch, obwohl der sauber ist, und murmelt: »Empfehlung vom Tage: Lammbraten in Ribiselsauce.«
»Klingt apart!«, meint Goldstein. »Ribiseln sind Johannisbeeren. Wollen wir das nehmen?«
Ich nicke. Mein Begleiter merkt nichts von meiner Beklemmung. Er bestellt einen Wein, einen leichten, spritzigen Veltliner, und die Tagessuppe.
(Dieser Geruch!) Wir stoßen an.
»Du wirst überrascht sein!«, sagt Goldstein fröhlich, als der Kellner die dampfenden Teller an unseren Tisch jongliert. Eine Hühnersuppe...
»Na, was sagst du?«, fragt Danny nach den ersten Löffeln.
»Gut!«, erwidere ich einsilbig. Nein, überrascht bin ich nicht.
»Diese goldene Farbe!«, schwärmt er. (Das macht man mit einer gerösteten Zwiebel.) »Und diese Gewürze!« (Knoblauch, Kreuzkümmel, ein bisschen getrockneter Salbei. Vorsichtig Sherry.) »Und was ist das für eine Einlage?«
»Gebratene Geflügelleber, fein gehackt«, erwidere ich wie automatisch, und er sieht mich überrascht an. »Donnerwetter, hast du feine Geschmacksnerven!«
»Ja«, sage ich. (Wir nannten diese Suppe Schmerzvertreiber, besonders als Trost geeignet, wenn man Kummer hatte. Nach dem Tod meiner Mutter gab es sie. Und ich habe sie Schlomo Laskarow gekocht, als es ihm schlecht ging.)
Der Geschmack dieser Suppe legt sich wie Mehltau auf meine Seele.
Die Suppe geht zu Ende und Danny Goldstein schenkt unsneu ein. »Auf die Zukunft!«, sagt er, und seine Brillengläser funkeln. Ich lächele ihm zu, aber meine Gedanken sind ganz woanders. Zum Glück wird die Hauptspeise so zügig serviert, dass ihm meine Schweigsamkeit nicht auffällt.
Auf dem Teller liegt der Lammbraten; keine feinschmeckerisch dünnen Scheiben, sondern klare, kräftige Fleischstücke im Mantel einer Kruste aus Kräutern. Ich schließe die Augen. Das letzte Mal hat mich das so überwältigt, als ich mit Gaston und Isabelle auf jenem Hochplateau in den Pyrenäen Zicklein überm offenen Feuer gegrillt habe. Ein ganzer Kräutergarten. Und davor hatte ich es oft genug genossen, zu Hause und im Restaurant am Savigny platz – diese bestimmte Mischung, die niemand außer den Laskers kennt: Fuego y sapor. Minze, Anis, Koriander, in einem Verhältnis, das ein Geheimnis ist. Die tiefrote Johannisbeersoße hat den Schimmer von dunklem Purpur und duftet leicht nach Lavendel. Dazu gibt es ehrliche Semmelknödel ohne irgendwelche Fisimatenten.
»Na, habe ich zu viel versprochen?« Danny strahlt übers ganze Gesicht. »Unglaublich, was in so einem kleinen Beisel passieren kann, wenn der richtige Koch da ist. Und es ist hier ja nicht einmal teuer.«
Er lässt es sich schmecken, stöhnt vor Begeisterung, nimmt seine Brille ab, die sonst wohl beim Essen beschlagen würde. Der richtige Koch, ja.
Ich nehme einen
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