Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Erfrischung steht bereit. Ihr Koffer wird in die Dependance gebracht.«
»In was für eine Dependance?«
»Madame hat angeordnet, dass Sie in der Dependance Quartier beziehen«, sagt die Schwarz-weiße und komplimentiert Leonie ins Haus. »Es wird Ihnen bestimmt gefallen. Es ist schlicht, aber nett und nur wenige Schritte vom Haupthaus entfernt.«
»Ich hatte eigentlich vor, mir ein Zimmer zu suchen«, sagt Leonie und weiß nicht so ganz, was sie davon halten soll, hier direktzu wohnen, denn einerseits ist es ja sicher bequem (»schlicht, aber nett«) und wird ihr vielleicht auch die Suche im Haus erleichtern, aber zum anderen weiß sie ja noch gar nicht, ob sie mit der neuen Verwandten auskommen wird, ob es gut ist, gleich so dicht dran zu sein ...
Aber die ältere Dame (»Frau Pfleiderer«) erwidert nur: »Ein Zimmer? Davon hat Madame nichts erwähnt.«
Über eine geräumige Vorhalle – Spiegelkonsolen in weißem Schleiflack mit vergoldeten Ornamenten und Stühlchen mit Samtpolstern – wird Leonie in dieses Empfangszimmer geleitet. Ihre Schritte hallen auf Marmorfliesen im Schachbrettmuster, weiß und rosa, dann steht sie in einem Salon, der ganz in Lavendelblau gehalten ist und von dem zwei Türen abgehen, die dann sicher ins »Allerheiligste« führen. Portieren und geraffte Damastvorhänge, Polstermöbel und Tischdecken, sogar der üppige Teppich ist lavendelfarben. Leonie tun die Augen weh. Es wäre nicht zum Aushalten, wenn nicht wenigstens hin und wieder eine Bordüre, ein Kissen, ein Überwurf in tiefem Bordeauxrot das blaue Wunder unterbrechen würden.
Auf einem runden Tischchen mit zarten Stühlen steht eine Glaskaraffe, in der Zitronenscheiben schwimmen, daneben ein schmales hohes Glas. Ein Eisbehälter, eine goldene Zange. Ein Schälchen mit Gebäck.
»Wenn gnä’ Fräulein vielleicht erst einmal hiermit vorliebnehmen würden? Sowie alles für Sie vorbereitet ist, werden Sie abgeholt.«
Gnä’ Fräulein hinten und gnä’ Fräulein vorn.
Leonie setzt sich vorsichtig auf eins der Stühlchen und verringert das Gewicht ihres Körpers, indem sie sich fest mit den Fußballen abstützt (das Ding sieht so zerbrechlich aus!). Dann fragt sie: »Werde ich dann Madame Guten Tag sagen können?«
»Madame ist untröstlich, aber sie musste auf die Probe. Doch sie freut sich, gnä’ Fräulein heute Abend begrüßen zu können.« Und dann wieder ein Knicks und draußen ist sie.
Leonie schluckt. Was für ein Getue! Wenn das so steif bleibt,wird sie ihre Mühe haben zurechtzukommen. Dann sucht sie sich sehr schnell ein Zimmer irgendwo in der Stadt.
Vorsichtig nimmt sie einen der Kekse und beißt hinein. Salzgebäck, bisschen trocken. Sie schenkt sich aus der Karaffe etwas in das Glas und probiert. Zitronenlimonade, wie sie erwartet hat, aber mit so wenig Zucker angesetzt, dass es ihr den Mund zusammenzieht.
Soll sie hier sitzen wie ein Hotelgast, im Foyer sozusagen, und warten, bis man sie irgendwohin verfrachtet? Das gefällt ihr gar nicht.
Ein Gast mag sie wohl sein, aber – das sei einmal festgehalten! – ein zahlender Gast, und ein gut zahlender. (Zwar erweckt das alles hier nicht den Eindruck, als wenn man es nötig hätte; wie es aussieht, verdient man als Burgschauspielerin geradezu fürstlich ... Aber der Schein kann trügen.)
Zum Herumhocken hat Leonie keine Lust.
Kurz entschlossen steht sie auf und öffnet eine der Türen dem Entree gegenüber.
Der nächste Salon, diesmal in Violett und Weinrot. Ob hier jedes Zimmer seine eigene Farbe hat? Kristallleuchter an der Decke. Vergoldete Säulen mit Blattmustern.
Wieder solche zerbrechlichen Stühlchen, diesmal auf glattem Parkett. Hier halten sich anscheinend nur Leute auf, die keine Gewichtsprobleme haben.
Überhaupt Gold! Ob sich wohl unter so viel Gold ein goldener Buchstabe verbirgt? Der verliert sich ja völlig, schießt ihr durch den Sinn.
Die Tapeten sehen aus wie Seide. Und bestimmt sind sie auch aus Seide.
Und dann ist da das Bild. Kein einziges anderes Gemälde an den Wänden. Nur das Bild.
3
Ich stehe vor ihr.
Kein Zweifel, das muss sie sein. Felice Lascari, die große Actrice. Die Schauspielerin, die Grande Dame vom Wiener Burgtheater.
Sie füllt die ganze Leinwand, dabei ist sie nur bis zu den Oberschenkeln abgebildet, der Rest fehlt. Und da ist nicht mal mehr Platz für irgendetwas im Hintergrund außer ein bisschen Gold. (Natürlich wieder Gold!)
Gold im Hintergrund. Das habe ich im Museum in Berlin bei alten
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