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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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scheint hier zweitrangig zu sein.
    Und was war das gleich wieder mit Gaston? »Der alte Kriegsgewinnler«? Unvorstellbar. Davon will sie erst einmal nichts wissen und verbannt es in die hinterste Ecke ihres Kopfes.
    Viel wichtiger: Wie findet man hier wohl Isabelles goldenen Buchstaben?
    Morgen ist jedenfalls Vorsprechen bei der Lehrerin. Der sehr arroganten Lehrerin.
    Kommt Zeit, kommt Rat.

7
    Madame hat ja keine Zeit genannt, wann sie mich anhören will. Also stehe ich auf, sobald es hell wird, denn erfahrungsgemäß »erwacht« die Stimme erst zwei Stunden später – wie eine Geige, die gestimmt werden muss, bevor man sie spielen kann. Ich memoriere meine Texte, während ich mich fertig mache, und als ich glaube, dass ich alles im Griff habe und meine Mittel parat sind, begebe ich mich auf die Suche nach etwas Essbarem, aber außerhalb des Hauses, denn dort rührt sich noch nichts. Nun gut, die Komödianten in Berlin, meine anderen Verwandten, schliefen auch gern in den Tag hinein, wenn sie es sich leisten konnten.
    Also nehme ich meine Tasche und mein Schlüsselbund und breche auf zum ersten Erkundungsgang in Wien. Das vertreibt meine Aufregung, denn ich muss mir eingestehen, dass ich ziemlich nervös bin. Wie wird die große Actrice das aufnehmen, was ich mache?
    Vorbei an Gärten und im Tiefschlaf liegenden Häusern reicher Leute, an Fassaden, die, wie die des Palais’, wo ich jetzt hingehöre, mehr verbergen als enthüllen, trabe ich ziellos übers Pflaster. Der Magen hängt mir bis zu den Schuhsohlen. Kein Mensch ist unterwegs, nicht mal eine streunende Katze begegnet einem. Die Morgensonne bescheint eine stille Welt, die auf mich wirkt wie eine Theaterkulisse, bevor das Stück anfängt. Säuberlich gekehrte Bürgersteige, beschnittene Hecken, gestutzte Bäume.
    Schließlich, nach einem Spaziergang von vielleicht zwanzig Minuten, verändert sich das Stadtbild, die Häuser sind nicht mehr so pompös, hier und da ein kleiner Laden, und endlich steigt mir der verlockende Duft von warmem Brot und Vanillegebäck in die Nase. Zwei Eingänge weiter ist ein Bäcker! Das Wasser läuftmir im Mund zusammen. Ich gehe dem Duft nach, die Stufen hinunter, und scheine in dem Souterrain-Geschäft mit der Türglocke die erste Kundin zu sein. Denke noch dran, »Grüß Gott« zu sagen statt »Guten Morgen« – und dann verstehe ich kein Wort mehr.
    Das ist also der Wiener Dialekt. Da habe ich ja viel zu lernen, falls ich hier mit jemandem aus dem »einfachen Volk« kommunizieren will! Im Augenblick beschränke ich mich auf Gebärdensprache, und das Mädchen mit dem weißen Kopftuch und der Schürze mit Puffärmeln verkauft der »Ausländerin« mit erstaunten Augen eine ganze Tüte voller warmer Hörnchen und Blättergebäck.
    Ein paar Häuser weiter hat ein anderer kleiner Laden geöffnet und ich besorge mir eine Flasche Milch.
    Zurück in meiner Dependance, verspeise ich dann mein Frühstück und denke mit Wehmut an die nach frischem Kaffee duftende Küche der Laskarows in Berlin oder den gedeckten Tisch, der in Hermeneau morgens auf mich wartete.
    Und dann bleibt noch eine ganze Weile, in der ich immer nervöser werde – denn Warten ist etwas Scheußliches –, bis endlich die Frau Pfleiderer erscheint, um mich abzuholen ins Haus.
     
    Ein halbdunkles Zimmer – nein, das ist ein kleiner Saal. Eine Bühne, schwarz ausgehängt. Rampenlicht, zwei Scheinwerfer an der Seite. Schreck, lass nach. Felice Lascari hat in ihrem Haus ein Privattheater!
    So etwas hatte ich mir nicht vorgestellt. Mir schwebte ein Miteinander vor, wie ich es in Berlin kennengelernt habe. Aber das hier ist die Imitation eines »großen« Vorsprechens auf Engagement, wenn man sich an einem Theater beworben hat und die Chefs des Hauses sich ein Bild machen wollen von dem, was man kann.
    Ob Felice selbst schon in diesem Raum ist, kann ich nicht erkennen. Der Saal ist zu dunkel.
    Zögernd gehe ich die paar Stufen zur Bühne hoch, blinzele gegen das Licht und sage probehalber: »Guten Morgen«. Ichschirme die Augen mit der Hand ab. Sehe nichts. Schwenke meinen Shakespeare in der Hand. »Könnte mir wohl jemand Stichworte geben?«, frage ich zaghaft.
    »Stichworte kommen«, tönt die Stimme meiner »Cousine« da irgendwo aus dem Dunkel. Stichworte kommen? Hat sie etwa ein Buch dabei? Aber selbst wenn. Sie sitzt im Finstern. Sie kann nichts lesen. Da jedoch niemand Anstalten macht, mein Textbuch entgegenzunehmen, lege ich es nach kurzem Zögern auf den

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