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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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»Den würde ich gern streichen – bisauf eine gewisse Zeit im Magazin natürlich.« Ihre Blicke begegnen sich im Spiegel. »Hab ich dir wehgetan, da vorhin?«, fragt er leise.
    »Was man sich sehr wünscht, das tut einem nicht weh.«
    Er schluckt, sie sieht, wie sein Kehlkopf sich bewegt. »Was willst du?«
    »Die Vaseline ist alle«, murmelt Leonie und schlägt die Augen nieder. »Oder doch fast alle. Und außerdem zittern mir die Hände. Jedenfalls ein bisschen. Ich kann mich nicht abschminken.«
    »Komm her«, sagt er. »Ich mach das.«
    Er setzt sich gerade, spreizt die Beine, stützt sich mit den Zehen an den Seiten des Stuhls auf den Boden und macht eine einladende Handbewegung. »Nimm Platz, Duschenju.«
    Leonie setzt sich vor ihn auf den Stuhl, zwischen seine Schenkel, mit dem Rücken zu ihm; die zwei Augenpaare im Spiegel. Er greift um ihren Oberkörper herum, taucht den Wattebausch in die Creme und beginnt, mit sanften, kreisenden Bewegungen ihr Gesicht zu bearbeiten.
    »Mach jetzt mal die Augen zu.«
    Der Wattebausch gleitet hauchzart über ihre geschlossenen Lider, den Nasenrücken herunter, umrundet ihren Mund, ihre Wangen, ist jetzt längst an Stellen angelangt, die ganz bestimmt nicht »eingefärbt« waren. Jetzt zieht er die Konturen ihres Ohrs nach, kitzelt den Haaransatz, zögert an ihrem Hals.
    Und dann ist es nicht mehr der Wattebausch, sondern es sind seine Lippen, weich und fordernd zugleich ... Sie will den Kopf drehen.
    »Nein«, sagt er. »Bleib so sitzen. Schau uns beide an jetzt.«
    Ihr Gesicht, bräunlich noch immer von der Sonne des vergangenen Sommers, rosig durchblutet vom leichten Druck des Abschminkens, ihre hohen Wangenknochen, die Augen verschleiert. Daneben sein lockiger Kopf, eine glänzende Strähne fällt in die Stirn; seine Lider halb geschlossen, Brauen und Wimpern wie dunkler Samt. Seine Zunge, die ihr hingebungsvoll Wange, Ohr und Schläfe leckt.
    »Wie schmecke ich?«, fragt sie mit einem kleinen Seufzer.
    Er antwortet nicht. Sein Atem geht schneller, und dann fühlt sie, dass sich sein Körper verändert, sich hart und fordernd an sie presst.
    Ihrer beider Bild verschwimmt im Spiegel.
    »Und Romeo und Julia?«, fragt sie leise. »Und die Familien?« »Das erste – da gibt es ja keine Frage. Und das zweite ist mir so was von egal.«
    Sie lächelt.

29
    Sie wollten uns nach Haus schicken (»Nach dem, was ihr erlebt habt!«, sagte Madame zweideutig), aber das lassen wir natürlich nicht zu. Wir versuchen gemeinsam, die entstandenen Schäden an der Ausstattung zu beseitigen, so gut es geht, und uns einen Überblick zu verschaffen. Ich bin hellwach, in so einer schwebenden Stimmung des Nicht-Begreifens, was an diesem Tag alles geschehen ist; im Gegensatz zu Schlomo, dem zwischendurch fast die Augen zufallen und der gleichsam mechanisch Schwerter, Dolche und silbrig bemalte Papphelme sortiert.
    Gegen Mitternacht endlich zieht sich das Familienunternehmen Laskarow, zu dem ich mich irgendwie rechne, in die Wohnung am Spittelmarkt zurück.
    Bevor ich einschlafe, registriere ich, dass Madame heute nicht überprüft, ob ich meine Tür verriegelt habe.
    Ich tue es auch am folgenden Abend nicht.
    Die Schrecken, die ich erlebt habe, werden sehr schnell weggeschwemmt von dem Gefühl des Glücks: Schlomo und ich, wir sind ein Paar.
    (Wie ich mir vorkomme? Wie das Mädchen im Märchen, dem nachts die Sterntaler in den Schoß gefallen sind. Auf einmal bin ich reich. Alles blüht. Alles ist freudige Erwartung.)
    Natürlich bin ich nicht allein mit meiner Beobachtung, denn kaum ist am nächsten Abend im Schlafzimmer von Tate-Mame das Licht ausgegangen, als jemand die Klinke herunterdrückt und eine sanfte und heftige Stimme flüstert: »Komm zu mir!«
    Und so betrete ich nun Schlomo Laskarows Erkerzimmer, das mir bisher dank Mames Einspruch: »Schloimele braucht keine Ordnung!« bis auf ein einziges Mal verschlossen blieb. Aber ob hierBlumensträuße vor sich hin welken und der Staub dick auf den Lorbeerkränzen liegt, die an den Wänden hängen, ob auf dem großen Spiegel matte Stellen von Fingern sind, ob sich die ungeöffneten Briefe, die »sießen Billettchen« der »Puppchen«, auf dem chaotischen Schreibtisch stapeln oder Wäsche und Kleidung von zwei Tagen auf Teppich und Polstermöbeln herumliegen, das kümmert mich heute Abend überhaupt nicht.
    Ich nehme ein feuchtes, nach Nelkenseife duftendes Handtuch vom Bettlaken und bin bereit, jedes Spiel mitzuspielen, das der männliche

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