Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
Alephs, Mems und Taws, hübsch goldglänzend. Spielkram.
»Ich kann es nicht glauben«, sage ich.
»Was kannst du nicht glauben?«
»Ich kann nicht glauben, dass die Laskarows ein altes Familienerbstück einfach so zu den Requisiten schmeißen. In diesen Kisten kann es nicht sein.«
Schlomo nickt. »Wir sind zwar ein chaotischer Komödianten- verein, aber so etwas sieht Tate wirklich nicht ähnlich. Ich denke mir, er hat das echte Stück nur als Vorlage hingegeben, wegen der Art und der Größe. Und dann wieder woanders verwahrt.«
»Und was bringt uns das?«, frage ich verzagt. Mir ist elend zumute.
Er antwortet nicht. Plötzlich steht er auf und geht nach hinten, wo der Schrank mit dem Glaseinsatz steht, das Stück, das die »Bibliothek« von Laskarows Künstler-Theater enthält.
Ich folge ihm. »Was hast du vor?«
»Warte mal.« Er müht sich mit der Tür, die noch verquollener ist als beim letzten Mal (es ist ja auch viel kälter und feuchter inzwischen). Dann reckt er sich auf die Fußspitzen und beginnt, zwischen den Blechschachteln und anderen Behältnissen zu kramen. »Verdammt, du bist nebbich größer als ich!«, sagt er verärgert. »Hol du das raus. Ganz hinten muss ein Lederbeutel sein. Schwarz, abgeschabt. Find ihn!«, kommandiert er. Und: »Hast du?«
Ja, ich ertaste etwas. Ja, da ist er.
»Gib her!« Er reißt ihn mir förmlich aus der Hand.
»Was ist da drin?«
Er wirkt verlegen. »Es gibt Dinge in einer Familie, über die redet man nicht, weißt du.« Er räuspert sich. »Tate war schon einmal verheiratet, bevor er meine Mutter genommen hat. Fast so etwas wie eine Kinderehe. Ging ganz schnell auseinander, als er seine Selde auf dem Theater kennengelernt hat – also wenn man ihr glauben darf. Mame war immer furchtbar eifersüchtig. Alle Fotos, alle Andenken von der ersten Frau mussten weg. Eigentlich sollte er das alles verbrennen. Tate hat es aber nicht verbrannt. Er hing eben dran. Und er hat es hier in dem Schrank aufbewahrt. In diesem Beutel.«
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es eben. Aber da sind auch noch andere alte Sachen drin. Sachen, die ihm wertvoll waren, aus seiner Jugend.« Er löst die Schnüre des Beutels. Holt ein paar Fotos und Briefe heraus, legt sie achtlos beiseite. Ringe, ein bunt verziertes Buch in hebräischer Schrift.
Ich zittere.
Schlomo zieht die Schnüre weit auseinander, sieht in den Beutel, schaut dann mich an.
»Das ist alles, Duschenju«, sagt er leise. »Weiter ist da nichts drin.«
»Das darf nicht sein!«, stammele ich. »Es kann doch noch ... gibt es keine anderen Verstecke? Denk doch noch einmal nach, bitte, Schlomo!« Mir ist schwindlig vor Enttäuschung. Ich muss mich an die Wand lehnen.
Er schüttelt traurig den Kopf. »Mir fällt nichts weiter ein.« Das war’s nun wohl. Es ist vorbei. Arme Isabelle.
Ich schließe für einen Moment die Augen. Schlomo macht sich an dem Beutel zu schaffen, tut behutsam Stück für Stück zurück. Plötzlich ein kleiner Ausruf der Überraschung. »Oi, Gerechter!«
Ich blicke auf. »Was hast du?«
»Da ist was ... Eine versteckte Tasche. Was Hartes.«
Er greift hinein, holt etwas vor.
Ein Gegenstand, der in ein blaues Seidentuch eingeschlagen ist. Er streckt mir die Hand hin. »Schau hinein.« Ich schlage das Tuch auseinander.
Auf dem blauen Grund glänzt das goldene Zeichen.
»Es ist das Taw!«, sagt Schlomo scheinbar sachlich. Aber seine Au gen sind feucht. »Nimm es! Es hat auf dich gewartet.«
Vorsichtig lässt er das Zeichen von seiner Handfl äche in meine beiden ausgestreckten Hände gleiten.
Das Gold fühlt sich warm an, als sei es lebendig. Ein Strom von sanfter Energie scheint von ihm auszugehen und mein Körper glüht von Kopf bis Zeh. Ich stehe in einem Fluss, der hier von mir bis hin zu einer alten Frau in den Pyrenäen führt, der uns beide verbindet...
»Leonie! Leonie, geht es dir gut?«
Schlomo sieht mich an, sein Blick ist besorgt.
»Warum fragst du?«
Er lacht ein bisschen, es klingt matt. »Mir kam es so vor, als wenn du ... entschuldige ... das ist natürlich Quatsch! Als wenn du gar nicht mehr in diesem Magazin hier wärst.«
Ich atme tief durch. »Und ob ich hier bin! Hier bei dir und mit dem Buchstaben in meinen Händen!«
Und dann laufen mir die Augen über, und ich sage unter Tränen: »Es hat auf mich gewartet, vielleicht. Aber du hast mich hingeführt. Ohne dich würde ich mit leeren Händen dastehen. Isabelle wird dich segnen!«
Und Schlomo beginnt mit den
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