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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Deutschland? Weißt du, was inzwischen hier in Berlin passiert ist? Während ihr in München versucht habt, euer ›besseres Deutschland‹ zu erzwingen, hat man hier Leute gehetzt wie die Tiere!«
    Er runzelt unwillig die Stirn. »Wovon redest du?«
    »Vom Scheunenviertel«, sage ich. »Es gab Ausschreitungen. Fast hätte es mich selbst erwischt.«
    Er funkelt mich an. Seine Stimme wird lauter. »Was hast du denn da verloren!?«
    Eigentlich ist es sinnlos, aber er soll es wenigstens wissen. Reiner Tisch.
    Ich öffne meine Tasche und hole die Besprechung heraus. Streiche sie glatt und reiche sie ihm über den Tisch. »Jiddisches Volkstheater auf neuen Wegen.«
    Er blickt darauf, als wäre es eine Fremdsprache. »Was soll das jetzt? Was ist das?«
    »Lies bitte. Übrigens, Leonie Lamedé, die blutjunge Debütan - tin – das bin ich.«
    Ich weiß nicht, ob er wirklich liest. Er scheint das Blatt zumindest zu überfl iegen. Dann bewegt er den Kopf hin und her, in einer ganz langsamen, verneinenden Bewegung. »Das kann ich einfach nicht glauben«, sagt er tonlos, »dass du mir so etwas antust.«
    » Ich tue dir etwas an?«, sage ich, bemüht, nicht laut zu werden. Ich kann mich kaum noch beherrschen. »Papa, wenn ich Gelegenheit habe, meinen Lebenstraum zu leben – dann tue ich dir etwas an?«
    Er starrt vor sich hin, scheint mich gar nicht wahrzunehmen.
    »Bitte, hör mir nur einen Augenblick zu. Das ist noch nicht alles. Seit du fortgegangen bist, lebe ich bei den Laskarows. Das sind unsere Verwandten, dein Vetter, der das Theater führt, dein Neffe, der mit mir zusammen auf der Bühne steht und den ich ... ja, den ich liebe!«
    Ich breche ab. Er hat die geballten Fäuste gegen die Augen gedrückt, in einer Geste, so voller Verzweifl ung, dass ich erschrecke.
    »Du vernichtest mich, Leonie«, sagt er mit dumpfer Stimme hinter seinen Händen hervor. »Du bringst mich um.«
    »Papa! Kannst du nicht einmal in Ruhe nachdenken? Was redest du da!«
    Röte schießt ihm erneut ins Gesicht. »Bist du für mich oder gegen mich?«, sagt er mit gepresster Stimme.
    Schon wieder so eine Phrase!
    »Was soll dieser Unsinn? Ich bin deine Tochter! Wie kann ich da gegen dich sein?«
    Einen Augenblick sehen wir uns an, schweigen.
    Dann nehme ich meinen Zeitungsausschnitt und stecke ihn wieder ein. »Ich muss gehen, Papa«, sage ich leise.
    Er antwortet nicht. Seine Kiefer mahlen.
    Ich halte es nicht mehr aus. Laufe zur Flurtür und bin draußen. Die Schlüssel habe ich auf dem Tisch liegen lassen.
    Renne die Treppen hinunter wie gehetzt. Er tut mir in der Seele leid, so wie er da am Tisch sitzt, vor sich hinstarrend. So allein. Wenn er mich wenigstens verfl ucht und weggejagt hätte, dann könnte ich zornig auf ihn sein. Das wäre leichter.
    Draußen schlage ich den Mantelkragen hoch, verkrieche mich mit geducktem Nacken in dem Kleidungsstück. Mir geht’s schlecht. Von meinem Leben ist eben ein Stück abgebrochen. Ein großes Stück.
     
    Am Spittelmarkt schlägt Leonie die Wohnungstür hinter sich zu und lehnt sich dagegen. Sie schließt die Augen. Es ist warm hier, und in der Stille ist nur das Ticken der Wanduhr neben dem Telefon zu hören. Um diese Zeit hält der Hauptdarsteller wie immer seinen Mittagsschlaf, um ausgeruht zu sein für den Abend. Madame Selde gibt sich in ihrem Raum irgendwelchen Berechnungen hin und der Chef inspiziert meistens schon wieder die Bühne oder macht einen Spaziergang. Das kann ihr im Augenblick nur recht sein. Sie muss sich sammeln, muss alle Kraft zusammennehmen für das, wasnun unausweichlich ist. Sie kann ihre Verwandten nicht mehr länger da rüber im Dunkeln lassen, wer sie ist.
    Sie zieht ihren Mantel aus, geht in die Küche. Es riecht nach Kaffee. Der geht der Frau des Hauses eigentlich nie aus. Sie hebt die Wärmehaube von der Kanne, gießt sich eine Tasse ein, lehnt sich zurück und atmet tief durch. Sie fühlt sich zu Hause.
    »Lora ist lieb!«, verkündet der Sittich in seinem Bauer. Ja. Lora ist lieb. Das ist vielleicht das Letzte, was ihr geblieben ist. Von dem, was einmal ihr Zuhause war. Zumindest wohl für längere Zeit.
    Sie stellt die Kaffeetasse ab und legt gerade den Zeitungsausschnitt in die Mappe zurück, die noch in der Küche liegt, als die Wohnungstür geöffnet wird.
    Mendel Laskarow im Gehpelz, einen weichen Filzhut auf dem Kopf, Spazierstock in der Hand, kommt vom Ausgang zurück. Jetzt oder nie. Sie tritt ihm entgegen.
    »Darf ich kurz mit Ihnen reden, Herr

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