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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Baldower? Ein Laienspieler?« Schlomos Augen sprühen Blitze. Er ringt gekonnt nach Luft.
    Und der Herr des Hauses, rot angelaufen vor Wut, zerrauft sich den Haarkranz. »Pathetisch jiddelnd ...! In der dritten Generation gibt es dies Theater! In der dritten Generation! Die Duse – die große Dame des Schauspiels hat uns mal besucht, da hat Selde noch die Sulamith gespielt. Und sie hat hinterher zu mir gesagt: Kollege Laskarow ... Kollege Laskarow, wohlgemerkt!, in Ihrer Frau steckt Großes, sie könnte eine Jungfrau von Orleans geben. Stimmt’s, Selde-Leben?« Und die nickt mit Tränen in den Augen.
    Leonie verkneift sich das Lachen.(Und sie wundert sich ein bisschen, dass sich die Schauspieler eigentlich nur über die künstlerische Missachtung erregen, nicht über das, was da noch drin steckt, in diesem Hassartikel.) Sie versucht, zu beruhigen.
    »Mit solchem Dreck muss man nun mal rechnen! Das sollte man gar nicht beachten. Wichtig ist doch, dass die richtige Zeitung das Richtige geschrieben hat. Dass die Völkischen Gift spucken würden – darauf haben wir’s doch angelegt!«
    »Tu nicht immer so schlau, Puppchen!«, sagt der Prinzipal ärgerlich. »Also, wenn ich erwarten müsste jedes Mal bei einer Premiere asoi e schofelen Mumpitz – ich würde den Herren das Haus verbieten!«
    In diesem Augenblick höchster Erregung tut Lora, der Sittich, der die lautstarken Reden bisher – auf dem Henkel der Kaffeekanne sitzend – mit schief gelegtem Kopf begutachtet hat, den Schnabel auf und sagt laut und klar: »Sieße Mame!«
    Im Nu kippt die Stimmung ins Gegenteil. Die Hausherrin schlägt vor Glück die Hände zusammen und belohnt das Tierchen, indem sie es von Mund zu Schnabel mit einem Apfelstückchen füttert, und Vater und Sohn sind so begeistert, als habe der Sittich gerade begonnen, ein Gedicht aufzusagen.
    Leonie nutzt die Gelegenheit, sich selbst noch einmal die Besprechungen zu greifen und sorgfältig zu lesen.
    Der »Völkische Beobachter« schafft ihr ein flaues Gefühl im Magen. Das klingt doch sehr bedrohlich. Sind sie zu weit gegangen? Sie selbst hat die Sache mit den Kostümen vorgeschlagen, sie hat die Fahnen mit dem Davidsstern angeregt und nicht zuletzt dies Hakenkreuz auf die Bühne gebracht ... Aber dann erinnert sie sich, was für Stürme von Zustimmung, was für ein Hochgefühl ihnen aus dem Saal entgegenschlugen.
    Das war die Premiere, sagt sie sich. Von nun an spielen wir wieder für »unsere Leut«.
    Wie es dem Vater wohl geht?

32
    Und nun ist es soweit. Nach dieser Premiere kann sie sich keine Ruhe mehr gönnen. Ihr Versprechen zerrt und zieht an ihr.
    Das Magazin in der Schendelgasse ist die allerletzte Möglichkeit, den Buchstaben zu entdecken. Nirgendwo sonst wüsste sie noch zu suchen. Wenn sie hier nichts findet, dann weiß sie nicht weiter. Dann ist alle Hoffnung verloren.
    An einem kalten stürmischen Novembertag machen sich Schlomo und Leonie auf, wie sie es sich vorgenommen haben vor der Premiere.
    Ihr ist beklommen zumute, als sie mit Schlomo in die Schendelgasse einbiegt. Der kahle Innenhof, auf dem ein paar vergessene Holzscheite und Kohlestücke herumliegen, erinnert sie nur zu deutlich an jenen verhängnisvollen Abend, wo draußen die Hölle ausbrach und sie beide da drinnen sich aneinanderklammerten.
    Nun steckt Schlomo den Schlüssel, den er seiner Mutter unter einem Vorwand abgeschwatzt hat, in das Tor der alten Fabrikhalle. Nun gehen sie durch die Vordertür. Diesmal.
    Gleich ist da der Geruch nach Staub und Mottenpulver, der Leonie die Ängste und das verrückte Glück dieser Nacht ins Bewusstsein ruft. Sie drängt sich dicht an Schlomo heran. Hängt sich an seinen Arm.
    »Wie ist dir?«, fragt er halblaut.
    »Seltsam.«
    »Mir auch.«
    Er schaltet das Licht ein, zieht sie dann zielstrebig durch die Reihen der aufgehängten Kostüme nach hinten, durchquert einen Gang. »Hier. Sieh mal.«
    Da liegt er mitten vor ihnen, der Berg Kleidungsstücke, Plunderfantastischer Bühnengarderobe, seidig und samtig, rau und kratzend und wollig durcheinander. Darauf haben sie gelegen ...
    Schlomo sieht Leonie an. Seine Augen sind verschleiert, sein Mund öffnet sich. Sie beginnen, sich zu küssen.
    »Duschenju«, murmelt er auf Jiddisch. »In mein Harz brennt e Faier. Ich hob dich lieb.« Es klingt kindlich und zärtlich. Leonie fühlt, wie ihr die Tränen des Glücks in die Augen steigen. Womit hab ich dich verdient, hat er zu ihr gesagt, als sie das erste Mal in seinem Bett, in

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