Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
sein!
    Ich weiß es nicht. »Mit deiner Hilfe werde ich das Werk vollbringen.« Hat Isabelle nicht gestern so etwas gesagt? Aber um Himmels willen, was für ein Werk denn? Hat das etwas damit zu tun, dass man mich partout darauf hinweisen will, dass ich jüdische Wurzeln habe?
    Mit der größten Selbstverständlichkeit redet man hier von den Vorfahren, die 1492 aus Spanien ausgewandert sind oder von einer Zeit vor zwei Jahrtausenden, damals als der Tempel in Jerusalem zerstört wurde. Und ich habe das Gefühl, Gaston und Isabelle, abervor allem Isabelle, spazieren in diesen Zeiträumen herum, als trügen sie Siebenmeilenstiefel und seien dabei gewesen.
    Aber ich will das alles nicht wissen. Es gehört nicht zu mir.
     
    Sie setzt sich auf die Steine, in den zarten Schatten, den ein paar schlanke Zedernbäume werfen, und atmet tief durch.
    Von hier oben hat sie den besten Blick auf das Schloss. Ein Schloss, in dem ein Mann mit einer Frau allein lebt, als wäre das das Selbst verständlichste von der Welt. Aber er ist ja auch ein Graf!
    Sie hat Hermeneau im Blick, so wie ein Vogel im Überfl iegen es sehen würde. Ein richtiger kleiner Herrensitz mit Turm (was der beherbergt, weiß sie ja nun). Weiße Mauern, hohe Fenster, alles umfriedet von einem hohen schmiedeeisernen Gatter. Ein weiter Hof, ein Taubenschlag, in dem freilich keine Taube mehr wohnt. Ob das Schloss sehr alt ist? Das weiß sie nicht. Vielleicht hat ein Weinbergbesitzer sich das Anwesen vor Zeiten errichtet, um seine Anbau-Erfolge zu feiern im Kreis der Freunde – denn die sonst üblichen Wirtschaftsgebäude oder Scheunen gibt es hier nicht. Ob das wirklich immer das Anwesen Gastons gewesen ist? Wenn sie an die Porträts an den Wänden des Hauses denkt, wohl kaum. Da wäre er ja mächtig aus der Art geschlagen. Immerhin. Einmal im Leben auf einem Schloss zu wohnen ... Sollte einen das nicht mit vielem versöhnen?
    Eigentlich hält sie das nicht aus, was man ihr zumuten will. Aber vielleicht sollte sie sich nicht gleich ins Bockshorn jagen lassen. Sie beschließt, noch abzuwarten und sich das weiter anzusehen. Nein sagen kann sie immer noch.
    Eine Weile sitzt sie weiter da und grübelt. Aber irgendwann erhebt sie sich und kraxelt wieder den steinigen kleinen Weg hinab. Es wird hier zu heiß.
    Als sie den Hof betritt, ist Gaston gerade dabei, den Motor seines Autos zu starten – mit jenem neuartigen Zünder, bei dem man nicht mehr vorn am Kühler eine Kurbel drehen muss.
    Als er sie sieht, hebt er die Hand und winkt ihr zu, und über das Geräusch des anspringenden Motors hinweg ruft er ihr zu: »Bist duso gut, mit mir hinunter nach Cerbère zu fahren? Ich muss Besorgungen machen.«
    Leonie wäre lieber noch ein bisschen allein. Aber sie wagt nicht, das Angebot abzulehnen. Und vielleicht ist es ja auch eine schöne Ablenkung, den Ort zu besuchen.
    Also sagt sie höfl ich: »Sehr gern. Danke, Gaston«, und der alte Herr öffnet ihr galant den Wagenschlag. Durch das offene Gittertor gleitet das Automobil nach draußen auf die gewundene Straße.
     
    In dem Raum, den Gaston »das Boudoir« nennt, steht Isabelle an einem der vier Fenster und schaut dem Wagen nach, der auf der gewundenen Straße abwärtsfährt, nach Cerbère. Sieht ihn zwischen den Bergen verschwinden und wieder auftauchen. Dann ist er fort aus ihrem Blickfeld.
    Sie hat die Hände gegen die Schläfen gepresst, steht sehr still.
    Es war ihr Vorschlag gewesen, dass Gaston Leonie mitnimmt. In seiner behutsamen Art kann er sie vielleicht eher auf das einstimmen, was sie von ihr verlangen wird. Sie selbst ist zu ungeduldig, geht zu schnell auf die Sache los, verschreckt das junge Mädchen. Sie braucht Vertrauen.
    Leonie Lasker, denkt sie und muss lächeln. Ich glaube, in meiner Jugend habe ich ihr sehr ähnlich gesehen. Wie froh ich bin, dass sie gekommen ist. Nun hat das Warten bald ein Ende, hören die quälenden Gesichte auf ...
    Sie wendet sich fort vom Fenster, schreitet den kleinen Raum ab, berührt die schönen alten Gegenstände, an denen ihr Herz hängt, mit behutsamen Händen, spürt die Kühle des getriebenen Metalls von Leuchtern und Gewürzbüchsen, das weiche Leder der Gebetsriemen, die seidige Glätte der bemalten und beschriebenen Pergamente mit heiligen Texten, die Glätte des Schofarhorns, jenes Tierhorns, das nur am höchsten Festtage, dem Versöhnungstag, geblasen wird, dem Tag, an dem man einander die Sünden vergibt und verzeiht.
    Bald.
    Das Verdeck des Autos ist

Weitere Kostenlose Bücher