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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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zurückgeschlagen. Der Fahrtwind versucht sofort, mir meinen Hut vom Kopf zu reißen, er schiebt sich unter die große Krempe wie eine freche Hand, und ich muss schnell zupacken. Meine Haare fliegen mir ins Gesicht. Gaston wirft mir einen Seitenblick zu. Findet er mich komisch mit meinem »Wagenrad«? Ich reiße mir das Ding vom Kopf und werfe es nach hinten in den Fond.
    Aber dann habe ich keine Zeit mehr, mich um mich selbst zu kümmern. Die Straße führt als Serpentine abwärts, und Gaston fährt Kurve um Kurve, so sanft und rasant zugleich, dass ich mich mit der flachen Hand am Armaturenbrett abstützen muss. Da unten zwischen schroffen Felsabstürzen ist immer einmal wieder das Meer, es schäumt blau und grün und silbrig gegen blassgraue Strän de, verschwindet, taucht wieder auf. Und dann, als wir in das Tal einbiegen, atemberaubend, vor uns die massiven steinernen Doppelbögen des Viadukts, die wie ein Wall bis zur Erde herabreichen, der gewaltige Bau der Eisenbahnlinie, die hineinführt in das schwarze Loch im Berg: der Tunnel, durch den die Züge ins nahe gelegene Spanien fahren.
    Ich bin hier angekommen vor drei Tagen, in Port Bou, der Cerbère nahegelegenen Bahnstation, wenige Kilometer entfernt, aber da hatte ich noch keinen Blick für diese riesige Brücke, benommen wie ich war von der langen Eisenbahnfahrt durch die Hitze. Und der Anblick des alten Herrn neben der schwarzen Limousine, der mich abholte, ließ mich diese großen steinernen Bögen einfach vergessen.
    Der Viadukt sieht aus, als wenn Menschen so etwas gar nicht bauen können. Als wenn Riesen diese Steine übereinandergeschichtet hätten. Er riegelt wie eine Mauer die Bucht mit ihren Bauten ab gegen das Gebirge, stemmt gleichsam seine Schultern gegen die Berge.
    Für Gaston, der das hier beinah täglich sieht, ist es bestimmt nichts Besonderes, aber mir nimmt es den Atem, als er jetzt direkt auf diese große rötliche Wand zurast und den engen gewölbten Durchgang ansteuert, durch den man von der Bergseite zur Meerseiteund damit nach Cerbère gelangt; der Motor dröhnt, während wir unter den aufgetürmten Steinmassen wie durch einen dunklen unheimlichen Hohlweg hindurchfahren.
    Wieder ist mir, als wenn es einen Ruck gibt, als wenn ich von einer Welt in die nächste springe, verhext, verzaubert, aus dem Gewohnten herausgenommen und woandershin versetzt.
    Und nun öffnet sich vor mir der Blick zur Stadt und zur Bucht. Es ist überwältigend.
    Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln und zu mir selbst zu kommen. Ich war ja noch nie an der See, habe das große Wasser bisher nur auf der Bahnfahrt und bei unserer Reise in die Berge gestern hier und da aufblitzen sehen. Und nun liegt vor mir auf einmal diese Bucht. Wie eine offene Muschel bieten die dunklen Felsen rechts und links das Meer dar, grünlich und glitzernd in der Sonne, mit weißen Schaumkronen, in der Ferne helle Segel. Hoch auf den Sandstrand gezogen bunt bemalte Fischerboote, die Netze hängen ausgespannt zum Trocknen. Ich wusste nicht, dass das so schön ist. Dann verschwindet das Meer aus meinem Blick. Wir sind in der Stadt.
    Gaston fährt an den ersten Häusern vorbei, biegt um die Ecke und parkt den Wagen im Schatten auf dem kleinen Marktplatz, zieht die Handbremse und sieht mich forschend an. Ich atme tief durch. Dann greife ich nach hinten, angele mir wieder meinen Hut vom Rücksitz, stülpe ihn aufs Haar und steige aus.
     
    »Der Ort«, sagt Gaston im Plauderton, »hat eigentlich nichts Besonderes zu bieten. Ein paar Häuser, aufsteigend an den Seiten der Bucht, der kleine Fischereihafen, Kirche und Mairie, das Schulhaus und ein paar Hotels; eins davon klebt auf der Klippe rechts vom Hafen und heißt ›La Vigée‹. Der Wachturm. So sieht das schmale Haus da oben ja auch aus. Es ist wirklich nur der Viadukt, der Cerbère sehenswert macht. Und der hat dich ja auch beeindruckt.«
    Gaston lächelt.
    Leonie läuft schweigend neben ihm her und atmet tief die nachSalz und Fisch riechende Luft. Sie bemüht sich, ihren Schritt dem seinen anzupassen, was nicht so einfach ist, denn manchmal schlendert er, bleibt stehen, grüßt nach rechts und links, dann wieder wird er plötzlich so schnell, dass sie beinah den Anschluss verpasst.
    Sie gehen hinunter zum Hafen. Ein kleines Bistro hat Tische und Stühle auf die Straße verlagert, direkt neben der Fahrbahn; Automobile scheinen sich außer Gastons edlem Gefährt und zwei röhrenden Lieferwagen mit drei Rädern nicht in der Stadt

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