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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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eher düster zu sein, mit ihren schweren Schränken und den Ledermöbeln.
    Isabelle und Gaston sitzen nebeneinander bei Kerzenschein, vor ihnen auf dem kleinen schmiedeeisernen Tisch steht eine Karaffe mit einer goldgelben Flüssigkeit, und ihre Gläser sind gefüllt. Offenbar stimmen sie sich für das Sabbatmahl ein, mit einem Sherry oder ir gendeinem anderen Aperitif.
    Ihre Gesichter wenden sich mir zu, die Augen voller Hoffnung, ein Lächeln auf den Lippen.
    Es wird schwerer, als ich dachte.
    Ich nehme all meinen Mut zusammen. »Ich weiß nicht«, beginne ich, »ob ihr heute Abend überhaupt noch mit mir zusammen sein wollt, weil ...« Ich breche ab. »Ich möchte euch sagen, dass es einfach nicht geht.« (Ich fühle, wie hölzern meine Worte klingen.) »Ihr sagt, ich bin die Richtige, nach den Berechnungen von dir, Isabelle. Aber ich fühle mich nicht als die Richtige. Ich fühle mich nicht als Jüdin und ich fühle mich nicht berufen.« Ich atme tief aus. So, jetzt ist es raus. »Sicher seid ihr nun furchtbar enttäuscht. Es tut mir leid. Und ich bedanke mich für alles. Aber ich reise dann ab. Mit der ersten Gelegenheit.«
    Während ich spreche, sehe ich mit Entsetzen, welche furchtbare Veränderung meine Worte bei den beiden hervorrufen – besonders bei Isabelle. Während Gaston mich mit flehenden Blicken ansieht und leise, wie beschwörend, den Kopf schüttelt, kommt es mir so vor, als würde Isabelle regelrecht erlöschen. Sie schließt die Augen, und ihr Gesicht wirkt so eingefallen und grau wie eine Totenmaske, Brauen, Wangen, Nase, alle Züge treten schärfer hervor.
    Zunächst sagt keiner der beiden ein Wort.
    Dann murmelt Gaston tonlos: »Wir wollen dich nicht zu etwas bewegen, was du nicht willst oder nicht kannst, Leonie. Das verstehen wir. Es ist gut.«
    Eigentlich müsste ich jetzt gehen. Aber ich kann es nicht, angesichts der Verstörung dieser Frau.
    »Ich habe so viel von euch gelernt und verstehe jetzt vieles besser«, sage ich und merke, dass ich nur plappere. »Bitte, verzeiht mir und lasst mich gehen. Diese Sache mit dem Golem ist mir sehr fremd.« Und da mir der Spruch einfällt, den Isabelle in der Küche gesagt hat, dieses Motto der Familie, sage ich ihn auf mit einem kleinen verlegenen Lächeln: »Wie heißt es doch: Con el pie derecho y al nombre del Dio.«
    Auf einmal ist mir, als wenn sich der Raum noch mehr verdunkelt, ohne dass die Kerzen erloschen wären oder auch nur gefl ackert hätten. Ich friere. Auf meinen Armen ist eine Gänsehaut.
    Isabelle wiederholt mit geschlossenen Augen: »Con el pie derecho y al nombre del Dio.« Es klingt wie eine Beschwörungsformel. Ihre Stimme scheint von weither zu kommen.
    Und dann krümmt sie sich nach vorn, als hätte ihr jemand in den Magen geschlagen, spreizt die Finger, hält sie abwehrend vor ihr Gesicht. Ihre Augen, eben noch geschlossen, sind weit aufgerissen.
    (Ich spüre, es wird immer kälter um mich.)
    »Nein, nein! Nicht schon wieder! Ich sehe! Ich sehe!«
    Gaston umschlingt sie mit beiden Armen, hält sie fest. »Leonie, bitte geh!«, sagt er, ohne mich anzusehen. »Geh schnell!«
    Ja, wilde Flucht müsste das Richtige sein jetzt. Nur fort hier!
    Aber ich stehe wie gebannt, und die Wellen von Schmerz – keinem körperlichen Schmerz, einem anderen, der von irgendwoher kommt wie vom Ende der Welt –, diese Wellen gehen auch durch mich hindurch. Es ist wie ein großes Dunkel, das mich verschluckt. Ob ich will oder nicht: Ich bin einbezogen.
    Isabelle bäumt sich auf in Gastons Armen. Ihre Augen sind starr auf etwas gerichtet, was wir nicht sehen.
    »Nackte Menschenleiber«, keucht sie. »Berge von Toten ... Die Lebenden tragen Zeichen auf ihren Kleidern ... Feuer! Es brennt! Alles vergeht im Feuer! Helft! Helft!«
    Das Entsetzen rast durch meinen Körper wie ein Fieber, brennt das Dunkel weg ... Krampfhaft stemme ich mich gegen das, was nun auch in mir irgendwo am Horizont schemenhaft aufzutauchen scheint... Gestalten ... Flammen ... Menschen, die schreiend durcheinanderlaufen. In irgendeinem Winkel meines Bewusstseins sehe ich, sehe es ebenfalls, wie Schatten. Es sind die gleichen Bilder!
    »Sie gehen ..,«, stammelt Isabelle, »sie gehen durch die Tore .., so viele .., es gibt kein Zurück .., sie versinken .., «
    Alles kreist um mich. Ein Wirbel. Sie gehen .., sie brennen .., sie versinken..,
    »Nein! Aufhören!«, schreie ich, höre mich schreien, habe endlich die Kraft, mich zu befreien, und ich stürze hin zu der gepeinigten

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