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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Eischnee und das frische Grünzeug unter die Eimasse (inzwischen habe ich auf dem ohnehin nie benutzten Balkon des Hauses eine kleine Kräuterzucht angelegt), als der Prinzipal die Zeitung mit solcher Wucht auf den Tisch klatscht, dass ich zusammenzucke.
    »Mendel, wos hostu?«, fragt die Ehefrau.
    Und dann schreit Mendel Laskarow: »Lasker! Es ist nicht zu glauben!«, und da rutscht mir fast der Rührlöffel in den Teig, denn natürlich muss ich im ersten Augenblick denken, er hat mich – wie auch immer – plötzlich entlarvt, und drehe mich verzagt um, aber er starrt auf das Stück Zeitung, das er nun wieder in der Hand hält, knallrot im Gesicht, mit einem Ausdruck des Ekels und der Wut.
    »Hier!«, sagt er anklagend und hält das Blatt hoch. »Hier drin. Schwarz auf weiß. Ein Leserbrief. Dass die Juden die Schmarotzer am Körper des deutschen Volks sind. Dass man sich dieser Plage endlich entledigen muss. Dass das gesunde Volksempfi nden sich endlich in Taten manifestieren soll. Eine fi ese, miese, hasserfüllte Hetze. Wie wir das schon kennen. Bloß, wer hat es geschrieben: Harald Lasker, Mitglied des Frontkämpferbunds ›Der Stahlhelm‹! Harald Lasker, der Sohn von Leo! Unsere eigene Meschpoche fällt uns in den Rücken!«
    Er zerknüllt das Blatt in der Faust, wirft es quer durch den Raum.
    Ich hebe den Eischnee so behutsam wie es nur geht unter den Teig und starre auf meine Pfanne, als würde vom Gelingen dieses Omeletts das Wohl und Wehe ganzer Völker abhängen.
    »Aber Mendel!«, versucht Madame ihn zu beruhigen. »Weißt du denn, was für ein Lasker das ist? Es gibt doch bestimmt noch mehr als nur diese Familie, die aus dem Elsass gekommen ist!«
    »Ja, schon! Aber ich erinnere mich genau, dass mir mein Vater erzählt hat, sein Bruder – nicht gedacht soll seiner werden – hätte sein Söhnchen mit dem schönen deutschen Namen Harald zur Taufe getragen! Verdammt, was für ein Schweinekerl ist das? Wenn er schon den Deutschen spielen will, kann er dann nicht wenigstens sein Maul halten? Das ist ja der Abschaum!«
    Mir ist, als wenn mein ganzer Körper in Flammen stehe. Alle meine Bewegungen führe ich ganz langsam, gleichsam in Zeitlupe aus. Dabei bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass Schlomo kerzengrade auf seinem Stuhl sitzt. Und die ganze Zeit weiß ich mich im Fadenkreuz der schwarzen Augen, die scheinbar ohne zu blinzeln alles verfolgen, was ich mache.
    Tue ich ihm leid, oder ist das nun die Bestätigung seiner Romeound-Julia-Theorie? Dass es nicht geht mit uns beiden?
    Der Herr des Hauses wütet inzwischen weiter. »Und vor gar nicht so langer Zeit«, brüllt er, »da hat sich doch sogar irgendein Mitglied dieser feinen Familie erdreistet, mich anzuschreiben und um einen Kontakt zu bitten! Dem Himmel sei’s gedankt, dass ich dem eine Abfuhr erteilt hab.
    Harald Lasker! Wenn ich diesem Meschumed mal nachts im Dunkeln begegne, dann kann er nachher seine Knochen nummerieren! So ein Ganove, so ein Hurensohn!«, tobt Laskarow, während die Tochter des Meschumed, des Ganoven und Hurensohns, ihm den Teller mit dem Omelett vor die Nase stellt und leise Guten Appetit wünscht – allerdings mit etwas zittrigen Händen.
    »Danke, Puppchen«, sagt er, einigermaßen besänftigt vom Duft des Essens. »Hm, das riecht ja wieder wunderbar. Hab ich dich erschreckt? Du bist ja ganz blass!«
    »Diese...diese Sache hat mich erschreckt«, sage ich mühsam.
    Er nickt grimmig. »Ja, das kann einen wohl erschrecken, wenn man so etwas hört. Woher nimmt der Mann bloß den Hass? Was geht in so einem Kopf vor?«
    Niemand im Raum ist scheinbar gesonnen, darauf eine Antwort zu geben – welche wohl auch? Und während Mendel Laskarow zornig seine Eierspeise verzehrt, bitte ich Madame, mir heute Vormittag freizugeben. Mir ist nicht gut.
    »Geh nur, Leonie. Aber kummst zu Abend?«
    Ja, das tu ich.
    Nun stehe ich auf der Straße. Keiner hat versucht, mich aufzuhalten. Ich sehe Schlomos Blick auf mich gerichtet.
     
    Was für eine Schande! Was für eine Schande!
    Sie läuft durch die Stadt, ohne ein Ziel.
    »Na, Mädelchen, wohin soll’s denn gehen?«, fragt eine freundliche Dicke mit Händlerschürze, als sie sich zwischen den Ständen eines Wochenmarktes hindurchschlängelt und schließlich in einer Ecke ankommt, wo leere Kisten und Gemüseabfälle herumliegen. Sie ist einfach so stehen geblieben, mit hängenden Armen, und starrt vor sich hin.
    Sie zuckt die Achseln, wendet, geht weiter in die andere Richtung. Wohin es

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