Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Adorés Browserverlauf war voll von Schlagworten wie ›Sofortkredit‹, ›Immobilienanwalt‹ oder ›Hotelpreise‹. Dass Schade aber ausgerechnet zwei Vögel wie euch schickt, um den Hotelpreis zu drücken, darauf bin ich eben erst gekommen.«
»Um den Hotelpreis zu drücken?«, fragt Anne.
Ich nicke und erzähle ihr, was ich in der Sauna gehört habe. Natürlich glaubt sie mir kein Wort.
»Das ist von all deinen Lügengeschichten mit Abstand die abstruseste.«
»Frag doch deinen Verlobten nach der neuen Männerbastion«, schlage ich vor.
Anne sieht mich böse an, doch auf einmal scheint ihr etwas einzufallen, und sie rennt aus dem Zimmer, als hätte sie vergessen, den Gasherd auszumachen. Frau Sommer sieht ihr hinterher.
»Da haben Sie eine tolle Frau verloren.«
»Und Sie einen tollen Job.«
Frau Sommer macht eine wegwerfende Handbewegung. »Er hat mir nie sonderlich Spaß gemacht. Um ehrlich zu sein: Ich mag keine Kinder. Es ist nicht so schlimm wie bei Ihnen, aber Sie haben schon recht.« Die Direktorin dreht sich zum Rechner und zitiert: »›Kinder sind laut, gehorchen nicht und machen nur Blödsinn.‹« Sie lacht. »Wenn ich an meinem Job hängen würde, hätte ich doch nie solche schwachsinnigen Ideen wie eine Paleo-Wanderung oder diesen Katzentanzkurs zugelassen. Um mich sollten Sie sich keine Sorgen machen. Im Gegensatz zu den meisten Gästen hier bin ich alt genug, um auf mich selbst aufzupassen.« Sie lächelt glücklich.
Allmählich muss ich wieder mit dem Rauchen anfangen. Von mir aus kann die Direktorin in der Zwischenzeit mein Zimmer auf den Kopf stellen, ich habe nichts mehr zu verbergen – außer vielleicht den Brief von Nadine. Den nehme ich sicherheitshalber mit nach draußen.
Nach dem ersten Zug an meiner Zigarette reiße ich auf dem Hotelparkplatz das Kuvert auf.
Lieber Caspar,
wenn Du das hier liest, bin ich bereits in Ungarn. Bitte folge mir nicht, es hätte keinen Sinn, denn ich werde nicht zu Dir zurückkehren. Es gibt einen neuen Mann in meinem Leben: Zsolt Béla.
Nadine schreibt, die beiden hätten sich kennengelernt, als sie aus dem Hotel gestürmt und in die erste und einzige Bar in der Nähe geflüchtet sei. »Bei Anton« hätten sie ein paar Gläser Papa Ice Tea getrunken, dann habe Herr Béla in ihr die Frau seiner Träume erkannt.
Ich habe es satt, ewig auf Dich zu warten, Caspar. Zsolt ist der beste Mann, den ich je getroffen habe. Wir haben uns verliebt und wollen in Ungarn ein neues Leben anfangen. Herr Schade hat mir gezeigt, dass ich beim »Münchner« keine Zukunft habe. Zsolt dagegen hat mir eine Perspektive eröffnet – als Mutter einer großen internationalen Familie. Und bevor Du es denkst: Nein, es stört mich nicht, dass sein Name mit zwei Konsonanten beginnt. Wahrscheinlich ist es tatsächlich Liebe. Aber die ist Dir leider fremd.
Herzlich, Nadine
PS: Ich habe mir eine Kleinigkeit von Dir mitgenommen, um dich nicht völlig zu vergessen, denn ich weiß, dass Du im tiefsten Innern ein guter Mensch bist.
Seltsamerweise überkommt mich das Gefühl, hier sei irgendetwas fürchterlich faul. Ich lese den Brief noch einmal. Beim Postskriptum murmele ich leise: »Scheiße«, wodurch mir die Zigarette aus dem Mund fällt.
Während ich die Treppen hochsprinte, hoffe ich aus ganzem Herzen, dass ich mich irre. »Bittebittebittebittenicht«, flüstere ich in mich hinein.
An Annes Zimmertür klebt ein Zettel aus dem Hotelnotizblock: Bin Joggen. XXX, L.
Aus dem Zimmer höre ich stakkatoartiges Schluchzen. Die Tür steht offen.
Der »Holzplatz« sieht aus, als wäre er von einer sehr ambitionierten Spezialeinheit auf den Kopf gestellt worden: Kindersachen liegen im ganzen Zimmer verstreut, die Schranktüren sind aufgerissen, die Matratze steht aufrecht neben dem Bett.
»Anne?«, frage ich in den Raum.
Aus dem geöffneten Schrank höre ich lautes Hämmern. Annes Beine ragen aus der Tür und strampeln hin und her, als wollte meine Kollegin dort hineinkriechen.
»Anne?«, frage ich wieder und spähe vorsichtig ins Dunkel des Schranks. Dort wühlt meine Exfrau wie wild zwischen Latzhosen, Strickpullis und Schlaf-T-Shirts. Sie schlägt schluchzend mit der Hand gegen die Innenseite des Schranks. Ihre Augen sind verheult, das Haar zerwühlt.
»Sie-muss-doch-irgendwo-sein-sie-kann-doch-nicht-einfach-verschwinden!«, schluchzt sie. Ich zwinge meine Stimme zur Ruhe, dabei spüre ich das Zittern von meinen Knien über den Bauch bis in den Kiefer.
»Wo ist
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