Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
einen »besonderen Aufguss« verspricht. Daraufhin kichert sie, als hätte mein Chef den besten Witz aller Zeiten gerissen. Als die Saunatür zugefallen ist, überlege ich kurz, von außen einen Riegel vorzuschieben, aber dann fällt mir etwas Besseres ein.
Anne werde ich nicht davon überzeugen können, dass Schade und ihr Verlobter ein Komplott gegen die Familien dieser Welt ersonnen haben – vor allem nicht, solange Mr. Perfect bei ihr im Zimmer schläft. Da muss ich einen anderen Weg wählen.
Von meiner Suite aus rufe ich Jeannie an und frage sie, ob sie immer noch daran interessiert sei, dass ich einen Artikel für ihre Broschüre »Familienurlaub« schreibe.
»Ich dachte, Sie sind Legastheniker.«
»Das war gelogen. Wie alles andere auch.«
Sie seufzt. Leider sei die morgige Ausgabe bereits mit Infos über den »Ötzi-Paleo-Cup« gefüllt. In der Broschüre für übermorgen gehe es um die Sieger des Familiencontests. Nur die Gutenachtgeschichte auf der Rückseite sei noch frei. Eigentlich wolle sie die aber selbst schreiben.
Ich muss lächeln. Dann stelle ich ihr eine Frage, die sie von mir nicht zum ersten Mal hört. Wenig später ziehe ich meine Jacke über und mache mich auf den Weg zum örtlichen Geldautomaten.
Genug gespielt
Konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich etwas Neues geschrieben habe. Mein alter Verriss starrt mich vom aufgeklappten Notebook aus über den Hotelschreibtisch mahnend an. Habe den Artikel gerade noch mal gelesen: totaler Müll. Alle Argumente gegen die Familie sind brutal konstruiert und zurechtgebogen. Was ist da bloß in mich gefahren? Das Problem liegt doch ganz woanders – bei Typen wie Herrn Schade, wie Mr. Perfect oder mir. Ich wollte keine Beziehung, aus Angst, wieder verlassen zu werden. Wer keine Gefühle wagt, kann nicht enttäuscht werden – aber eben auch nicht glücklich.
Klar, die Sache mit Adoré war eine klassische Amour fou –wobei es Amour fight besser treffen würde, denn ich musste immer um sie kämpfen. Sie hat mich nicht einfach mal zurückgeliebt. Durch dieses ewige Auf und Ab, das Verletzen und Verletztwerden fühlte sich alles sehr intensiv an – aber ist das Liebe?
Nein.
Wenn man sich liebt, muss man den anderen nicht ablehnen, wegstoßen, dann muss nicht immer gekämpft und erobert werden, dann kann man sich doch auch einfach mal nur lieben, oder? Ist das so schwer?
Ja.
Ich werde noch mal neu anfangen – nicht mit dem Rauchen, dem Familienurlaub oder meinem Verriss, sondern mit der Liebe. Anne soll alles erfahren: von meinem Geheimauftrag, von Schades Affäre mit Adoré, von Mr. Perfects Businessplan und vor allem auch, dass ihr Verlobter sie betrügt. Scheiß auf die Mannesehre. Was sind das für Männer, die ihre Frauen betrügen? Ein echter Mann sollte aufrecht und wahrhaftig sein. Klingt nach Glückskeks, aber die sind schließlich die Urform der Ratgeberlektüre.
Morgen früh wird meine Gutenachtgeschichte im »Familienurlaub« erscheinen. Keine Ahnung, ob das etwas ändern wird. Die Sache mit Anne habe ich eh vergeigt. Schade, denn offen gesagt, das Gefühl hat gestimmt, nur der Rest war kompliziert.
Sie soll ihren Artikel schreiben und Mr. Perfect heiraten, Adoré wird Herrn Schade das Herz brechen und weiterziehen. Und ich? Vielleicht versuche ich es zur Abwechslung mal mit Nadine und erkläre ihr, dass es doch nicht ihre Schuld war, dass wir nie eine Beziehung geführt haben.
Ich rufe bei der Rezeption an, um ihre neue Zimmernummer herauszukriegen, aber niemand nimmt ab. Höchste Zeit, sich anzuziehen und die Dinge persönlich zu regeln.
Bei Jeannie geht es drunter und drüber. Die Gäste verlassen fluchtartig das Hotel, als würde eine riesige Lawine anrollen. Und Jeannie rotiert ganz allein an der Rezeption.
Vor mir steht der Architekt mit seiner Familie. Offenbar wollen sie ebenfalls auschecken – und das, obwohl heute Abend die finale Bewertung des Familiencontests stattfindet. Muss wohl an den ersten Artikeln über den Paleo-Wettbewerb liegen. Adoré hatte anscheinend recht: Die Macht der schlechten Presse kann vielleicht keine Berge versetzen, aber immerhin welche umstürzen lassen. Die dann auf dieses Hotel fallen.
Draußen auf dem Parkplatz haben ein paar Boulevardreporter ihre Stative aufgebaut und bestürmen mit bunten Mikrofonen jeden Gast, der auf der Veranda einen Tee trinken oder joggen gehen will. Kein Wunder, dass die Gäste fliehen.
»Außerdem ist der Service hier neuerdings unter aller
Weitere Kostenlose Bücher