Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Sau«, mäkelt die Architektin. »Auf unserem Stockwerk ist das Wasser ausgefallen, der Hausmeister ist nirgends zu finden.« Sie tippt auf die Schlagzeile einer Boulevardzeitung in ihrer Hand. »Wir wollen nicht länger in einem Hotel bleiben, das zu Werbezwecken Menschenleben aufs Spiel setzt. Sie verstehen das sicher am allerbesten.«
Ich drücke Jeannie meinen Text für die Frühstücksbroschüre in die Hand und frage nach Nadines Zimmernummer. Wenn die sich nun nicht mehr ein Doppelzimmer mit Schade teilt, kann sie auch bei mir unterkommen. Ein paar gemeinsame Tage in einer großen Suite waren schon immer ihr Traum.
»Die Dame hat leider schon ausgecheckt«, informiert mich Jeannie müde, als ich an der Reihe bin. Na super, alle laufen davon. Ich zücke mein Portemonnaie, aber sie winkt ab.
»Da kann ich ausnahmsweise nichts machen. Aber sie hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen.« Jeannie überreicht mir einen Briefumschlag, auf dem in weiblich-geschwungener Schrift mein Name steht. Ich nehme ihn entgegen und will mich schon zum Gehen wenden, da fällt ihr noch etwas ein: »Haben Sie vielleicht Herrn Béla gesehen?«
Ich schüttele den Kopf. »Schauen Sie doch mal hinter dem Schrank im Betreuungszimmer nach.«
Das Frühstücksbüfett ähnelt heute dem letzten Mahl auf einem sinkenden Schiff. Statt frischem Brot gibt es alten Toast, »Familienglück« steht nicht mal mehr auf der Karte, geschweige denn auf dem Tisch, die Eier sind hartgekocht, der Bacon pappig.
Die Einzigen, denen die miese Stimmung nichts ausmacht, sind die Iren. Sie toben, lachen und benehmen sich nun endgültig wie Häftlinge, deren Wärter entlassen wurden. Zwei Väter spielen sogar mit den gehäkelten Kindereierbechern Hacky-Sack. Doch auch ihre Zeit ist gezählt, die grünen Hartschalenkoffer mit Kleeblatt- und Harfenaufklebern habe ich vorhin schon in der Lobby gesehen.
Während ich auf meinen Kaffee warte, schlendere ich noch einmal zum Zeitschriftentisch. Dort liegen wie immer die aktuellen Tageszeitungen und ein paar Magazine. Zum Glück nimmt die Trennung eines österreichischen Promipaares den Großteil der Titelseiten ein. Das Ötzi-Cup-Fiasko ist eher ein Thema im Lokalteil. So brauche ich wenigstens kein Foto von Adoré und mir in irgendeinem Boulevardblatt zu sehen. Sicherheitshalber nehme ich mir trotzdem eine Frauenzeitschrift. Kann nicht schaden.
»Gefällt Ihnen unser Magazin?«, fragt mich die Chefredakteurin, die am ersten Tag bei uns am Tisch saß. Die hatte ich schon völlig vergessen. Sie lächelt mich freundlich an: der erste gut gelaunte Mensch, dem ich heute begegne.
»Um ehrlich zu sein, wollte ich gerade mal anfangen, die Frauen zu verstehen«, sage ich geradeheraus. »Vor allem die Mütter.«
Sie lacht. »Viel Glück.«
Von einer halben Packung Dinkeltoast halbwegs gestärkt, schlendere ich etwas später wieder auf mein Zimmer, um meinen Bademantel anzuziehen und den Rest des Tages im Spa zu vertrödeln. Heute werde ich mich auf Spesen durch die gesamte Wellnesskarte massieren lassen.
Meine Zimmertür steht offen, ein Staubsauger lehnt gegen den Rahmen. Doch nirgendwo ist ein Zimmermädchen zu sehen. Stattdessen sitzen Anne und Frau Sommer vor meinem Schreibtisch. Die Direktorin trägt den Kittel der Putzfrauen. Die beiden Frauen starren auf den Bildschirm des aufgeklappten MacBooks: Sie lesen meinen Verriss.
Jetzt drehen sie mir die Köpfe zu. In ihren Augen blitzt fassungsloser Zorn. Aber was haben sie überhaupt in meinem Zimmer zu suchen?
»Das ist Hausfriedensbruch«, schimpfe ich leise und deute hilflos im Raum umher. »Ihr könnt doch nicht einfach in mein Zimmer …«
Frau Sommer zieht die Augenbrauen hoch. »Ich muss sogar Ihr Zimmer betreten, da ich heute Putzdienst habe – Personalmangel«, erklärt sie und fügt bissig hinzu: »Herr Journalist.« Drohend hebt sie den Zeigefinger. »Sie dagegen sollten schlechte Artikel über das Hotel, in dem Sie logieren, nicht für jedermann lesbar herumstehen lassen.«
Von wegen. Ich könnte schwören, dass ich das Notebook zugeklappt hatte. Ein Blick zu Anne, die sich wieder meinem Text zugewendet hat.
»Ihre Kollegin habe ich angerufen, weil ich dachte, dass sie vielleicht auch interessiert, was Sie so über sie und ihre Familie schreiben«, erklärt Frau Sommer.
Anne ist während des Lesens immer blasser geworden. Jetzt dreht sie sich um. »Du Verräter!«, schreit sie. »Du hast mich verarscht. Der Mann, mit dem ich das Zimmer geteilt habe,
Weitere Kostenlose Bücher