Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
aufkommen. Als ich Anne vorschlage, der Tarnung halber doch einfach von nun an in einem Bett zu schlafen, schüttelt sie so entsetzt den Kopf, dass der ganze Tisch wackelt und ihr Weinglas umkippt.
Wenig später stehen wir auf und verabschieden uns von Frau Sommer. Die scheint erleichtert, dass wir den Platz für den Käse räumen, bevor ihre Gäste sich aus alter Gewohnheit an unserem Tisch anstellen. »Ja, gehen Sie ruhig ins Bett, damit Sie morgen fit für den Tanzkurs sind.«
Herr Fröhlich, der sich nach dem Zwischensieg offenbar ein Gläschen Alkohol gegönnt hat, zwinkert Anne zu.
»Gönnen Sie sich ein bisschen Schlaf. Das tut dem Nachwuchs gut.«
Was gäbe ich dafür, mal wieder in einem richtigen Bett schlafen zu können. Als Anne im Schrankklo verschwindet, springe ich blitzschnell auf die Matratzen. Aber kaum ist sie zurückgekehrt, verweist sie mich so vehement aufs Sofa, dass Leonie aufwacht. Ohne dass die Kleine darum gebeten hat, hebt Anne sie aus dem Kinderbett und legt sie auf meine Seite.
So habe ich mir die Ehe immer vorgestellt: Man spricht ungehemmt über Körperausscheidungen und schläft nicht gern im gleichen Bett. Auch wenn der Tag mit Leonie im Sandkasten, sagen wir mal, außergewöhnlich war – Herr Dr. Schade hatte recht. Junge Familien sind unerträglich.
Ohne mich zu verabschieden, schwinge ich meine Beine aus dem Bett. Kaum haben sie den Boden berührt, fährt ein stechender Schmerz durch die Fußsohlen über die Knie nach oben, offenbar hat jemand meine Hotelschlappen vor dem Bett durch Reißzwecken ersetzt. Das Gefühl, barfuß auf ein Stück Lego zu treten, ist nichts dagegen.
»Autsch!«, rufe ich.
Hinter dem Vorhang knipse ich die Sofalampe an. In meinem einen Fuß steckt ein Nashorn – ein kleines, aus Plastik. Im anderen hängt eine Straßenlaterne. Der Traktor hat es nicht durch die Hornhaut geschafft.
Die Plastikfigürchen sollen nicht kaputtgehen, deshalb stelle ich sie lieber auf Annes Seite. Die freut sich morgen früh bestimmt darüber.
Dann ziehe ich mich mit letzter Kraft auf das tolle Designersofa zurück und wünschte, es wäre bloß ein Schlafsofa.
Come, baby, come
»Der Tanzkurs beginnt in zehn Minuten«, ruft Anne.
Ich reiße die Augen auf. Anne und Leonie stehen ausgehfertig vor mir.
»Leonie und ich haben schon gefrühstückt, wir wollten dich mal ausschlafen lassen. Wie ich sehe, bist du schon angezogen, dann können wir ja los.«
Ich schaue Leonie fragend an, nicke zu Anne hinüber und zucke mit den Schultern. Die Kleine macht es mir nach.
»Ich würde mir gern noch eben die Zähne putzen«, wende ich ein.
Anne rennt durchs Zimmer und sammelt Zeug in Leonies Wickeltasche. Sie schaut auf die Uhr: »Noch sieben Minuten – ich laufe schon mal runter und melde uns an. Wir sehen uns unten!«
Fünf Minuten später hebe ich Leonie im Fahrstuhl hoch, damit sie auf den Knopf drücken kann. Während wir nach unten rauschen, betrachten wir uns im Spiegel: wie Vater und Tochter. Ich habe einen Zahnpastabart, Leonie einen Milchbart.
Der Tanzraum liegt im Spa-Bereich des Hotels. Er ist gleichzeitig der Yoga-, Meditations- und Bewegungsraum. Davor steht ein Flipchart mit einem grünen Plakat, von dem aus drei rotgetiegerte Katzen in den Posen ägyptischer Pyramidenmalereien in den Raum starren.
Leonie deutet traurig auf die Tiere. »Katzen aua«, stellt sie fest. Tatsächlich sehen die armen Biester aus, als hätte ihnen jemand mit Photoshop die Beine gebrochen und danach die Pfoten ausgekugelt.
Hinter mir höre ich eine hohe Stimme: »Nein, mein Kindlein. Sie tanzen sich frei. Diese Geste ist Ausdruck weiblicher Kraft und Würde.«
Die Stimme gehört einer Frau in den Fünfzigern, die aussieht wie Bud Spencer, hätte er sich für eine Travestiekarriere entschieden. Sie trägt wallende Gewänder und Schleier in Knallrot, Dunkelgrün und verschiedenen Lilatönen – offenbar hat sie versucht, mit ihrem Look die gesamte Farbpalette abzudecken. Das Potpourri krönt ein mit arabischen Mustern verziertes Kopftuch, unter dem eine wallende graue Lockenmähne hervorschaut.
»Ambra«, stellt sie sich vor und verbeugt sich. »Mit wem habe ich die Ehre?«
»Caspar und Leonie – entschuldigen Sie die Verspätung.«
Der riesige Paradiesvogel zeichnet mit dem rechten goldfarben glitzernden Ballerina ein imaginäres Kreuz auf den Boden.
»Legt hier eure Namen ebenso ab wie eure Hast. Und wählt dafür die Ruhe und neue Namen.« Der ist wohl damals beim
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