Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
nickt. »Regelmäßige Saunabesuche entspannen die Muskeln und bereiten den Körper auf die Geburt vor.«
»Nur niedrige Temperaturen und viel trinken«, ergänzt die Schwangere.
»Ich muss dann los«, verkünde ich mit bedeutungsschwangerem Seitenblick auf Leonie.
»Ja, klar«, sagt Herr Fröhlich und zwinkert mir zu. »Herzlichen Glückwunsch zum Zweiten.«
Seine Frau knufft ihn scherzhaft am Arm, dann sieht sie mich ebenfalls lächelnd an: »Mit dem zweiten Kind steigen Sie in die Liga der echten Eltern auf.«
Auf den Bänken, die rund um den Sandkasten aufgestellt sind, sitzen einzelne Väter oder Mütter in Zweier- und Dreiergrüppchen. Ich kenne hier nur den Architekten. Er baut mit Obi eine Sandburg, nein, er baut die Burg allein. Obi sitzt einfach nur da und schaut zu. Gerade setzt der Architekt eines von acht identisch langen Zweigchen als Stützbalken ein. Wahrscheinlich hat das Anwesen sogar einen Keller mit Pool.
»Obi!«, ruft Leonie begeistert und rennt auf ihren Freund von gestern zu. Bevor sie bei ihm angekommen ist, fällt ihr Blick auf die Burg. Ihre Augen gleiten von Turm zu Turm über die Zinnen zum Innenhof. Ohne zu zögern, hebt sie den rechten Fuß und tritt gegen den Turm, der ihr am nächsten ist. Der Terrorgnom schlägt zu. Dann lässt sich Leonie mit ihrem ganzen Gewicht auf die Burg plumpsen und reißt mit ihren kleinen Händchen eine Mauer nach der anderen ein. In weniger als zehn Sekunden hat sie die Burg dem Erdboden gleichgemacht.
Der Architekt schnappt nach Luft. Leonie liegt auf dem Boden und wischt mit ihren Gliedmaßen hin und her – wie Kinder, die Engelsfiguren in den Schnee wischen. »Engelchen«, ruft sie dabei und zeigt ihre Milchzähne. »Engelchen!«
Der Architekt sieht aus, als hielte er Leonie eher für ein Teufelchen, das gerade seine Sixtinische Kapelle plattgemacht hat. Obi dagegen lacht und klatscht in die Hände. Wahrscheinlich hatte er den gleichen Plan.
»Kinder!«, sage ich matt, biete dem Architekten eine Zigarette an und stecke mir eine zwischen die Lippen. Muss es ausnutzen, dass Anne mich gerade nicht sieht. Außerdem sind Obi und Leonie nun vollauf damit beschäftigt, in den Trümmern von Ground Zero ein Loch zu graben.
Der Architekt schüttelt entsetzt den Kopf. »Das ist ein Kinderspielplatz, Sie dürfen hier nicht rauchen.«
»Hier steht aber kein Schild.«
»Das muss es auch nicht. Eltern wissen so etwas. Sie etwa nicht?«
»Es ist kompliziert«, entgegne ich.
Leonie schnappt den Satz auf und versucht, das schwere Wort zu wiederholen: »Es ist kompi. . . klompitz. . .«
»Kompliziert«, erkläre ich etwas genervt, schnippe die Zigarette in den Sandkasten und trete sie aus. Kaum habe ich meinen Fuß von dem Stummel genommen, hebt ihn der Architekt auf und hält ihn mir vorwurfsvoll hin, als wäre er der Beweis für meine Verdorbenheit.
»So eine Zigarette kann ein Kind vergiften! Was sind Sie nur für ein Vater?«
Die um den Sandkasten sitzenden Eltern nicken beifällig. Zum Glück ist der Psychologe nicht hier.
Wahrscheinlich hat er recht. Wahrscheinlich haben sie alle recht. Anne auch. Ich muss mich auf das Thema Familie einlassen und mich um meine Tochter kümmern wie ein guter Daddy. Sonst kann ich die ganze Geschichte vergessen. Also nehme ich die Kippe und befördere sie vor den Augen aller in den Mülleimer am Eingang. Dann greife ich in meine Tasche, hole meine letzte Schachtel Zigaretten heraus, halte sie hoch, dass alle sie sehen können, zerknülle sie und schmeiße sie hinterher. Der Architekt im Sandkasten nickt zufrieden.
Leonie breitet die Arme aus und rennt auf mich zu. Ich fange sie vorsichtig auf und hebe sie hoch.
»Was willst du denn spielen, meine Süße?«
Leonie deutet auf die Rutsche. Ich stelle sie vor die Leiter, aber sie traut sich noch nicht, allein hochzuklettern. Während sie dort steht, bildet sich hinter ihr eine kleine Schlange. Geduldig erkläre ich den anderen Kindern, dass Leonie noch klein ist und sie als die Großen bitte ein wenig warten können. Die anderen Eltern schauen selig zu uns herüber oder wenden sich wieder ihren Zeitschriften und Gesprächspartnern zu.
Sprosse für Sprosse helfe ich Leonie, die Rutsche hinaufzusteigen. Oben angekommen, strahlt sie wie ein Honigkuchenpferd über ihren kleinen Triumph. Ehe ich um die Rutsche herumlaufen kann, flitzt sie schon mit aufgerissenem Mund hinunter und knallt ungebremst in den Sand. Sofort fängt sie bitterlich an zu weinen.
»Mama!«,
Weitere Kostenlose Bücher