Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Pyramidenbau ein Quader auf den Kopf gefallen.
»Ich würde gern bei meinem Namen bleiben«, erkläre ich.
Ambras Lächeln ist unerschütterlich. »Dann darfst du hier nicht herein.«
Na toll. Wenn ich den Kurs nicht absolviere, kriege ich Ärger mit Anne, jetzt, da wir uns gerade etwas annähern. Außerdem bedeutet Fernbleiben wahrscheinlich Minuspunkte im Familiencontest. Herr Fröhlich, mit dem ich noch mindestens eine Rechnung offen habe, ist sicher auch in dem Kurs.
»Okay, nennen Sie uns, wie Sie wollen.«
Ambra streckt den Arm aus und legt ihre gespreizten Finger ungefragt auf Leonies Kopf. Sie schließt die Augen wie beim Gläserrücken. Mit ihrer übersinnlichen Art erkennt sie in Leonie bestimmt sofort den Terrorgnom und nennt sie »Bombinchen« oder »Stressine«.
»Du bist Leonita, die kleine Löwin.« Ambra dreht sich zur Seite und holt einen gelben Schleier aus einer Kiste, der mir verdächtig nach einer gebatikten Stoffwindel aussieht. Den bindet sie Leonie um ihre kleinen Hüften. Ehe ich mich versehe, liegt ihre Hand auf meinem Kopf.
»Und du bist Nerm. Das bedeutet sanft und weich.« Klingt eher wie eine Abkürzung für Neurodermitis.
»Welcher Name bedeutet denn cool und lässig?«
Ambra sieht mich so verständnislos an, als hätte ich sie nach ihrem Ägyptischdiplom gefragt.
»Tralalala«, singt sie, statt zu antworten, und dreht uns tänzelnd den Rücken zu, um die nächsten Ankömmlinge zu begrüßen. Auch wenn Annes Tochter erst zweieinhalb ist: Dass diese Frau einen Knall hat, begreift selbst ein Kleinkind.
Im Tanzraum erkenne ich einige Gäste und einen Großteil des Personals wieder: Frau Sommer, Psychologe Ainberger, der gerade eine Liste durchgeht, und die Architekten. Herr Béla fehlt beim Tanzkurs. Entweder er muss mal wieder irgendwo aushelfen, oder Frau Sommer befürchtet, dass er beim Tanzen ihren ungeschwängerten Mitarbeiterinnen auf die Pelle rückt.
Anne sitzt im Schneidersitz auf dem mit Futons ausgelegten Boden.
»Gestatten, Nerm und Leonita«, stelle ich uns vor. »Und Sie sind?«
Meine Kollegin sieht mich traurig an und schüttelt den Kopf. Leonita und ich setzen uns neben sie auf den Boden.
»Lukrezia? Gundel? Mimosa?«, rate ich.
Mit gesenkten Augen flüstert sie: »Shakira.«
Ich beiße die Zähne zusammen und male mir die schlimmsten Albtraumszenarien aus, um meine Mundwinkel im Zaum zu halten: Die Welt geht unter, das Universum implodiert, ich werde in eine Außenredaktion nach Oberbayern versetzt.
»Shakira klingt zumindest nicht nach Hüftgelenksdysplasie«, stelle ich fest.
Um Punkt elf Uhr steht das Männer-Frauen-Verhältnis bei drei zu zweiundzwanzig, die Teenagerjungs zählen ja noch nicht.
Ambra schließt die Tür zum Tanzraum und sieht sich voller Vorfreude um – wie ein Menschenfresser, der eine Eltern-Kind-Gruppe zum interkulturellen Austausch begrüßt.
Da öffnet sich die Tür. Herr Fröhlich betritt mit seiner Familie den Raum und murmelt eine Entschuldigung.
»Ein echter Sultan!«, freut sich Ambra. »Mit seiner ganzen Familie!«
Die Fröhlichs setzen sich direkt neben Anne. Mit gefletschten Zähnen nickt mir mein Gegner zu. Ich bleibe höflich und stelle ihn meiner Frau vor.
»Sultan, das ist Shakira, Shakira, Sultan.«
»Halt die …«, zischt Anne.
Ambra breitet die Arme aus. »Liebe Pharaonen, liebe Fatimas, ihr kleinen Wunderlampengeister, ich lade euch ein in die Welt des ägyptischen Familientanzes.«
Sie verschwindet kurz hinter einem Vorhang und kommt Sekunden später wieder zurück, mit drei täuschend echt aussehenden, offenbar ausgestopften rothaarigen Katzen unter dem Arm.
Dazu hat Ambra noch kleine Schminkstifte mitgebracht. Damit sollen wir uns alle gegenseitig »ein Katzenschnäuzchen« schminken, »zur Einstimmung«. Ein Raunen geht durch die Reihen der Kinder. Hoffentlich hat Leonie ihren Edding auf dem Zimmer gelassen. Ehe ich mich versehe, hat mir Anne rechts und links an die Mundwinkel je drei dicke Barthaare gemalt. Super!
Zögernd lasse ich meinen Blick über die Mütter schweifen, aber keine von ihnen scheint meinen Look ungewöhnlich zu finden. Ambra ordnet die drei Tiere hintereinander an, sodass sie aussehen wie tanzende ägyptische Reliefzeichnungen.
»Tempelkatzen sind die Töchter und Söhne von Bastet, der Katzengöttin«, raunt sie verschwörerisch. Gegen meinen Willen erfahre ich, dass jene Bastet auch für Liebe und schwangere Frauen zuständig ist. Mit diesen Qualifikationen könnte sie
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