Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
ich.
»Spargeltarzan.«
»Heulsuse.«
»Dumme Nuss.«
»Blödmann!«
»Angsthase!«
»Pfeffernase!«
»Mamabubi!« Das saß. Herr Fröhlich wirkt plötzlich gar nicht mehr so fröhlich, sondern eher kampflustig. Da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen.
»Du Wichser!«, entfährt es ihm.
Wo kam das denn jetzt her? Er presst sich die Hand vor den Mund. Zu spät. Sofort drehen sich zehn kleine Gesichter fragend zu ihren Müttern. Auch Frau Fröhlich schüttelt erschrocken den Kopf. Tochter Paula dagegen grinst bis über beide Ohren. Schon höre ich das erste Stimmchen. Es gehört Obi.
»Wichser, Wichser«, wiederholt er fröhlich. Die Architektenmutter funkelt Familie Fröhlich wütend an. Psychologe Ainberger trennt eine ganze Seite in seinem Lederbuch heraus, knüllt sie zusammen und wirft sie in einen Mülleimer. Aus einer Ecke höre ich den Architekten erschrocken flüstern: »Mixer, der Mann hat Mixer gesagt.«
»Hat er nicht.«
Herr Fröhlich schlurft hängenden Kopfes zu seiner Familie, die ihn wie den Viertplatzierten aufnimmt. Das ist der Träger des Goldenen Bubsi wohl nicht gewohnt.
Anne nickt mir stolz zu und reckt den Daumen nach oben. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich pädagogisch wertvoll. Man kann Konflikte tatsächlich mit Worten lösen. Die erste große Hürde zum Platinbubsi ist genommen.
Ein paar Mütter stehen auf und verlassen mit ihren Kindern den Raum. Leonie kommt zu mir und greift meine Hand.
»Come, baby, come«, brabbelt sie und zieht mich nach draußen.
Das kaputte Kreuz des Südens
Autsch, ich habe Rücken. Kann mich nicht bewegen. Verdammte Designercouch. Und das alles nur, weil dieses Kind nicht einmal im eigens dafür vorgesehenen Gitterbett schlafen kann! Ich versuche, mich aufzurichten. Ein stechender Schmerz schießt von der Mitte meiner Wirbelsäule nach unten bis in die Zehen und nach oben in den Nacken.
Langsam öffne ich die Augen. Die Sonne scheint durch die dünnen weißen Gardinen ins Zimmer. Kleine Staubpartikel tanzen in einem Lichtstrahl, der auf Annes Bett fällt. Meine Kollegin schläft noch, aber ihre Tochter ist schon wach und versucht, die winzigen Staubsternchen zu fangen, grapscht in den Lichtstrahl, schaut in ihre leere Hand und greift erneut. Ein friedliches Lächeln liegt auf ihren Lippen.
Leonies langsame, fließende Bewegungen sehen aus wie Tai-Chi. Ich will sie eigentlich gar nicht stören, aber wenn jemand Anne schnell wecken kann, dann ihre Tochter.
»Leonie!«, zische ich. Sie schaut zu mir herüber. Als sich unsere Blicke treffen, lächelt sie vorsichtig.
»Schnee!«, erklärt sie mit ernstem Gesicht und versucht, den nächsten Staubpartikel zu fangen.
»Hilfe«, hauche ich.
Leonie sieht mich verständnislos an.
»Hipfe?«, fragt sie.
»Hilfe!«, wiederhole ich – auch wenn mir ein zweieinhalbjähriges Kind wohl kaum helfen wird.
Leonie nickt langsam. Dann zeigt sie ein Grinsen, das aussieht wie Milchzähnefletschen.
»Hüpfen!«, ruft sie, rutscht in Bauchlage über die Bettkante, steht kurz wackelig auf dem Boden und rennt auf mich zu.
»Nein, ich … Leonie … Hilfe!« Mit beiden Händen zieht sie sich auf das Sofa, kniet auf meinem Rücken und gluckst vor Freude.
»Nicht hüpf. . .«, beginne ich flehentlich, aber da springt sie schon auf meiner Wirbelsäule herum, als wäre ich der Freizeitpark Oberreith und mein Rücken das Kindertrampolin.
Ich schreie vor Schmerzen. Leonie brüllt mit mir um die Wette. Ganz klar, sie hat meine Geschichte vom Terrorgnom zum Vorbild genommen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich Anne aus dem Bett erhebt. Sie reibt sich die Augen.
»Was ist denn das für ein Lärm?«
»Hilfe!«, wiederhole ich.
Anne sieht zu uns herüber. »Wie schön! Ihr habt euch angefreundet!«
Nach zwei Stunden im Massageraum beruhigt der Bademeister meinen Rücken schließlich mit einer wärmenden Moorpackung.
»Ist bloß ein Hexenschuss«, diagnostiziert er.
»Ich wüsste schon, von welchem Hexchen«, bemerke ich und schaue zu Leonie und Anne hinüber, die sich auf einer Yogamatte mit einem wurstartigen Stillkissen eine Art Trutzburg gebaut haben.
»Sie wollte doch nur spielen«, behauptet Anne.
»Das sagen die Kampfhundebesitzer auch immer.«
Das Hexchen umklammert das Bein ihrer Mutter, schiebt die Unterlippe vor und schlägt die Augen nieder. Eine dicke Träne rollt an ihrer linken Pausbacke hinunter. Anne sieht mich mit strafendem Blick an. Schon kapiert.
»Komm,
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