Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Typen, die kann man auf den ersten Blick nicht leiden. Auf den zweiten wird es leider auch nicht besser. Was hat der hier zu suchen? Er gefährdet unseren Auftrag. Als ich vor ihm stehe, mustern wir uns wie Obama und Osama oder wie Angelina Jolie und Jennifer Aniston. Doch statt ihm die Flasche Robbybobbys Blubberspaß über den Kopf zu hauen und ihn anschließend mit dem scharfkantigen Flaschenhals aufzuschlitzen, strecke ich ihm die Hand hin.
Da er meine angebliche Tochter in der einen und meine angebliche Frau in der anderen Hand hält, hat er keine mehr für mich frei und wirft mir nur einen gekünstelt-entschuldigenden Blick zu. Also stecke ich meine Hand wieder weg.
»Caspar Hartmann«, stelle ich mich vor. »Sie müssen Mr. Perfect sein?«
Mein Gegenüber lächelt wie ein Sieger, dem gerade der Zweitplatzierte gratuliert.
»Leonhardt«, sagt er und deutet auf die Kleine. »Wie Leonie, nur größer und härter. Ich bin ihr Vater.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen überspielt Jeannie an der Rezeption höchst mäßig, dass sie jedes Wort verstanden hat. Anne löst sich endlich aus der Umarmung und kehrt zögernd zurück an meine Seite. Leonie dagegen bleibt auf Papas Arm. Ich schaue Annes Verlobten erstaunt an, als hätte ich ihn vorhin nicht richtig verstanden.
»Ihr Vater, sagten Sie? Wie schön. Dann haben wir ja etwas gemeinsam.«
Mr. Perfect scheint den Subtext nicht begriffen zu haben, denn er sieht mich fragend an. Anne flüstert ihm etwas ins Ohr. Jetzt geht ihm ein Licht auf, und er zwinkert mir zu, als wäre das Ötztal Moskau und wir beide amerikanische Geheimagenten. Er setzt Leonie auf den Boden.
»Komm, Leonie, Süße, geh mal, hihi, zum Papa«, sagt er grinsend.
Widerwillig kehrt Leonie zu mir zurück.
Nun stehen wir da, wie Adoptiveltern vor dem leiblichen Vater, der sich nicht von seinem ehemaligen Kind trennen kann.
Jeannie, die bis eben voll und ganz mit ihrem Computer beschäftigt war, durchbricht die Stille.
»Die Reicher-Onkel-Suite wäre noch frei«, erklärt sie. Wir schauen verdutzt. Die Rezeptionistin zuckt verlegen mit den Schultern. »Früher hieß die Präsidentensuite, aber seit wir ein Familienhotel sind, hat unsere PR-Managerin für alle Zimmer neue Namen erfunden.«
»Bestimmt eine tolle Frau«, vermute ich ätzend. Meine Laune ist im Keller, drittes Untergeschoss.
»Sie werden sie lieben«, murmelt Jeannie und unterdrückt ein Kichern. Doch für Albernheiten habe ich jetzt keine Zeit. Ich muss zusehen, dass ich meine Tarnung auf die Reihe und Mr. Perfect aus dem Weg kriege.
»Reicher Onkel passt super«, meint mein Kontrahent und unterschreibt, ohne hinzuschauen, die Formulare von Jeannie so jovial, als würde er den Urlaubsantrag seiner Sekretärin abzeichnen. Dabei verspricht er mir im Flüsterton, dass er den Schein wahren wolle – »für Anne und ihre Halbtagsstelle, nicht für dich«. Einerseits hasse ich Leute, die mich ungefragt duzen, andererseits gehört er ja zur Familie.
»Tut einfach so, als wäre ich nicht da. Ich verhalte mich ganz unauffällig.« Wahrscheinlich hat er deshalb die Präsidentensuite gebucht. Er gibt Jeannie das Formular zurück und starrt sie an, als wäre er Hypnotiseur.
»Ich bin übrigens der Patenonkel von der Kleinen und habe sie so sehr vermisst, dass ich sie unbedingt sehen musste.«
»Er mag sie halt so«, ergänzt Anne.
Jeannies Augenbrauen bleiben hochgezogen. »Natürlich.«
Mr. Perfect schultert seine Ledertasche.
»Ich werde mich mal frisch machen. Und ihr?«
Ich schaue Hilfe suchend zu Jeannie und bleibe an dem kleinen Aufsteller mit Wanderflyern hängen.
»Wir gehen wandern«, beschließe ich. Hauptsache, weg von diesem Typen. Anne sieht mich irritiert an und imitiert wieder diese Rückenleidengeste, die sie schon bei der Abreise nachgeäfft hat. Ich rolle mit den Augen.
»Der Bademeister hat gesagt, ich soll mich bewegen.«
Sie deutet hinüber zu Leonie. »Und was ist mit ihr?«
»Kommt in den Kinderwagen«, bestimme ich und fühle mich allmählich wieder etwas mehr wie der Paterfamilias.
»Auf dem Hinweg habe ich ein paar dunkle Wolken überholt«, mahnt Mr. Perfect. »Vielleicht solltet ihr lieber nur einen kurzen Spaziergang machen.«
Das hätte er wohl gern. Ich würde am liebsten so weit von ihm wegwandern wie möglich. Außerdem strahlt der Himmel in verlockend wolkenlosem Hellblau.
»Danke, aber ich gehe nicht zum ersten Mal zu Fuß«, kontere ich. Als Kind musste ich immer mit meinen Eltern in den
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