Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
Begleiterin geküsst habe. Oder als ich auf der Hochzeit meines besten Freundes in die Torte gefallen bin.
Jedenfalls habe ich Paula als Entschädigung einen H&M-Gutschein über dreihundert Euro versprechen müssen. Dass ich von ihrem Vater noch Geld für den Eintritt bekomme, habe ich unter den Tisch fallen lassen.
Trotz des Ärgers herrscht in meinem Kopf seltsamerweise die fröhliche Gedämpftheit einer rosa Wolke. Mit diesen Tabletten kann man bestimmt super feiern gehen.
Frau Fröhlich und ihre Kinder scheinen die Erlebnisse des Tages ganz gut verkraftet zu haben. Paula hat schon wieder einen gesegneten Appetit. Wahrscheinlich freut es sie insgeheim, dass mein heutiges Verhalten mich wieder ein ganzes Stück vom Platinbubsi entfernt hat.
Ihr kleiner Bruder taxiert mich, als überlegte er, wie er aus mir ebenfalls einen Einkaufsgutschein herausholen könnte. Nur Herr Fröhlich sitzt nicht mit am Tisch, seine Frau meint, er brauche gerade »mal etwas Zeit für sich«.
»Na, eine Geliebte wird er in dieser Bergwelt schon nicht aufreißen«, kalauere ich drauflos. »Es sei denn, er steht auf Ziegen.«
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich Frau Sommer an ihrem allabendlichen Welcome-Drink verschluckt. Verdammt, diese Tabletten machen mich ganz meschugge.
Leonie, die nach dem ganzen Trubel endlich mal ausgepowert scheint, schaut sich mit Obi ein Bilderbuch an. Die Augen fallen ihr schon fast zu.
Opa Eisenstein fixiert mich böse über den Tisch hinweg. Ich trinke aus Verlegenheit schneller, als ich sollte. Oma Eisenstein hilft mir, die erste Flasche Weißwein noch vor dem »Gruß aus der Küche« zu leeren. In der Kategorie Trinken liege ich im Gegensatz zu den anderen Vätern auf jeden Fall vorn. Muss unbedingt eruieren, ob es auch die Disziplinen Medikamentenmissbrauch oder Weinglasstemmen gibt.
Heute ist Jeannie die Kellnerin. Als sie Kindercracker unter marinierten Rinderfiletschnipselchen serviert, stülpt Oma die leere Rieslingflasche verkehrt herum in den Kühlkübel, drückt ihn Jeannie in die Hand und lässt ihn mit »schönem Gruß an die Küche« zurückgehen.
Ich steige auf Rotwein um, weil diese Flasche noch halb voll ist.
»Was halten Sie denn von dem Artikel im ›Familienurlaub‹?«, will der Architekt von mir wissen und grinst mich an.
»Ach, was diese Journalisten immer so schreiben …«, nuschele ich. Kann mich gar nicht richtig konzentrieren, seine Zahnreihen leuchten so unschuldig weiß wie Engelsflügel.
»Das war ein toller Text«, findet Mr. Perfect und lehnt sich nach vorn. »Wahrer Journalismus!« Er hält seinen Löffel vor der Brokkolispargelcremesuppe erhoben. »Ein Klient von mir, hohes Tier bei einer großen deutschen Bank, immer nur geraucht und getrunken, der steht im Urlaub auf den Seychellen am zweiten Tag vor dem Pool – und zack!« Er lässt den erhobenen Löffel in seine Suppe plumpsen. »Da haut’s ihn um: kopfüber in den Pool. Seine Frau hat ihn gerettet.« Er blickt zu Anne hinüber. Alter Schleimer. »Sei dankbar, Caspar, dein Körper hat dir ein Zeichen gegeben.«
Der Psychologe sieht zu mir herüber, notiert etwas in sein Lederheftchen und steht auf. Würde ich auch gern machen.
Vielleicht hat Mr. Perfect ja recht, und der Zusammenbruch war wirklich ein Zeichen: Mein Körper mag einfach keine Familien. Lieber schaltet er komplett ab, als hier in der Masse der Fortpflanzer zu versauern. Aber ich muss diesen Job durchziehen. Für Dr. Schade, für meine Nachtlebenkolumne und für die alleinstehenden Männer dieser Welt. Wenn Schade mitkriegt, dass ich unter Panikattacken leide, degradiert er mich vom wilden Hengst zum Angsthasen. Und Angsthasen schreiben keine Nachtlebenkolumnen.
»Der kleinen Paula hat Caspars Körper auch ein Zeichen gegeben«, leitet Mr. Perfect die nächste Runde ein. »Es war bunt und roch nach Heringssalat.«
Ich brauche jetzt eine Zigarette, sonst drehe ich wirklich durch. Mit unsicheren Griffen falte ich meine Serviette, lege sie auf den Tisch und nicke Anne zu.
»Bis später, Schatz.«
Mr. Perfect sieht mich spöttisch an. »Soll ich dich lieber rauftragen?«
Auf dem Weg nach draußen begegne ich dem Psychologen. Er grüßt freundlich und will gerade zurück an unseren Tisch gehen, aber ich halte ihn am Arm fest.
»Bitte werten Sie meine Schwäche nicht zu unseren Ungunsten. Anne und Leonie können doch nichts dafür. Vielleicht lag es ja an der finnischen Sauna. Die war falsch eingestellt, kaum Luft drin.«
Ainberger
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