Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
mir ein Männergespräch führen?
»Lass mich raten: wegen des Gutscheins für Paula. Tut mir echt leid, dass ich sie heute, nun ja, wie sagt man das am besten? Mit einem großen Bollerchen bedacht habe?«
»Ach, Blödsinn. So was ist mir früher auf Partys ständig passiert.«
Auf Partys? Diesem Spießer? Ich glaube ihm kein Wort.
Er seufzt, als lastete die Entscheidung über ein drittes Kind auf seinen Schultern. »Wegen der Tattoos.«
Jetzt muss ich wirklich lachen. Offenbar wollen mich heute alle zum Narren halten. Dafür habe ich jetzt echt keinen Nerv. Ich stecke meine Zigaretten ein und will gehen. Aber Stanley bleibt ernst.
»Ich will mir seit Jahren die Unterarme tätowieren lassen, aber meine Frau meint, das gehöre sich nicht für einen höheren Beamten.«
»Ich glaube dir kein Wort.«
»Dass ich Beamter bin?«
»Na ja, das schon.«
Wortlos öffnet er sein Karohemd. Nur zwei Knöpfe – und schon sehe ich Kirschblüten und die grüngelben Schuppen eines asiatischen Drachens über seinem Schlüsselbein. Ich muss an die japanischen Yakuza denken, die ihre Tätowierungen verstecken, damit die Gesellschaft ihr wahres, wildes Wesen nicht auf den ersten Blick erkennt.
»Mit Stock gestochen«, erklärt Stanley Fröhlich. »Zeckt ganz schön, ist aber original.« Sein ganzer Oberkörper sei tätowiert, erklärt er. »Bis zum Hintern – wie ein T-Shirt und Shorts.« Zum Beweis krempelt er die entsprechenden Kleidungsstücke hoch. Nun wolle er sich endlich auch die Unterarme stechen lassen, aber seine Frau sei dagegen. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr liebe er seine Tattoos. »Emma habe ich erst zehn Jahre später kennengelernt.«
Der Kerl wird mir gerade sympathisch. Und wenn er tatsächlich der Familie abschwört, um sich tätowieren zu lassen, habe ich den perfekten Protagonisten für meine Reportage gefunden.
Herr Fröhlich fährt mit dem kleinen Finger die Silhouette des Drachenrückens auf seinem linken Oberarm entlang.
»Früher habe ich keine Party ausgelassen. Aber dann kam eins zum anderen, und ehe ich mich versah, war ich Gewinner«, sein Ton klingt verächtlich, »des Goldenen Bubsi.«
Wer hätte gedacht, dass auch Familienväter ab und zu den Ruf der Wildnis spüren? Jetzt könnte ich ihn auf meine Seite ziehen. Aber offen gesagt, bin ich dazu schon viel zu betrunken und will jetzt nicht ans Arbeiten denken. Außerdem mag ich seine Tattoos, und das hier ist der erste anständige Abend seit Langem. Vor allem aber habe ich mich heute schon auf seine Tochter übergeben, das reicht eigentlich an Zumutung.
»Bleib du lieber bei deiner Familie, Stanley Fröhlich, bevor Herr Béla sie dir abkauft.« Ich deute zum Barchef, der das zum Anlass nimmt, sich zu uns zu setzen.
Ist eh kein Gast mehr da außer uns. Weil wir schon zu viel getrunken haben und in bester Herrenrundenstimmung sind, weise ich den Ungar darauf hin, dass er sich besser eine Frau nehmen sollte, die er nicht kaufen muss.
Aber der Ungar will nicht von seiner These abrücken. »Jeder Mann zahlt. Viele geben das Geld nur nicht auf einmal aus.«
Das sollte ich mir für meinen Artikel merken. Jetzt aber halte ich erst mal eine vom Papa Ice Tea entflammte Laudatio auf die Freiheit des Mannes, den Alkohol, durchzechte Nächte, wilde Partys und das Grundrecht auf Polygamie. Die beiden anderen sehen mich verwundert an.
»Du haust ja ganz schön auf die Kacke für einen Vater«, findet Stanley. Der Psychologe hatte recht, was diese Pillen angeht. Zum Glück sind auch die anderen beiden schon betrunken, und so einigen wir uns schnell darauf, einfach auf die guten, alten Zeiten anzustoßen, als man noch jung und wild war – einmal, zweimal, zehnmal.
Im Lauf des Abends verspricht mir Stanley Fröhlich, zu seiner Frau zurückzukehren und sich mit ihr zu vertragen. Herr Béla will von nun an auf sein Herz hören und seine wahre Liebe suchen. Ich dagegen gebe den beiden mein Wort, mich nicht mehr nachts in Clubs herumzutreiben.
»Wahrscheinlich bist du deshalb überhaupt erst in der Sauna umgekippt«, vermutet Stanley.
»Ich hatte eine Panikattacke.«
Mein Gegenüber schaut mich aufmerksam an und schüttelt ungläubig den Kopf. »Wovor soll ein Kerl wie du denn Panik haben? Vor dem zweiten Kind?«
Ich atme tief durch. »Wir kriegen kein zweites Kind, Stanley«, erkläre ich ihm. »Dieser andere Vater hat da irgendetwas falsch verstanden. Es ist nicht leicht, so ein Missverständnis aufzuklären.«
Stanley Fröhlich wird mit
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