Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
gedauert. Ich nehme Leonie auf den Arm.
»Caspar aua!«, stellt sie fest und kneift mir besorgt in die geschwollene Nase.
Jetzt kommen auch die drei Bademeister die Treppen aus der Saunalandschaft heruntergelaufen. Passend zu ihren weißen Uniformen tragen sie knallrote Köpfe, wodurch sie noch österreichischer wirken. Sie schwingen ihre Pfeifen, als wollten sie uns damit verdreschen. Ich presse mir ein nasses Handtuch auf die Nase, die gerade auf Boxergröße anschwillt.
Wahrscheinlich kriegen wir jetzt alle zusammen Hausverbot.
Der Chefbademeister baut sich vor Herrn Béla auf, mustert uns alle kurz, lässt dann seinen Blick suchend zwischen Liegestühlen und Handtüchern umherwandern. Dass hier gerade eine Massenschlägerei stattfand, haben die drei offenbar gar nicht mitgekriegt. Auch die Blutflecken und blauen Augen irritieren sie nicht.
»Alles okay?«, fragt mich ein Bademeister.
»Ja, äh, klar. Habe einen Kopfsprung gemacht, Becken zu flach.«
Der Bademeister nickt abwesend und murmelt: »Springen vom Rand verboten.«
»Wo waren Sie eigentlich?«, will Herr Béla wissen.
Der Bademeister nickt in Richtung Saunalandschaft, als würde ihm seine Abwesenheit erst jetzt bewusst. Er winkt Herrn Béla und mich näher zu sich heran.
»Nicht weitersagen, aber hier treiben sich zwei Schwule herum. Hat uns einer unserer jüngeren Gäste angezeigt – und der sah so aus, als müsste er es wissen. Die Typen haben gerade oben alle Gäste aus der japanischen Sauna vertrieben. Offenbar sind sie bei ihren perversen Spielen gestört worden.« Er bewegt sein Becken ein paarmal ruckartig vor und zurück.
Ich kann es nicht fassen. Wie doof ist der denn?
In diesem Moment stolziert Mr. Perfect die Treppe von der Saunalandschaft herunter wie Grace Kelly. In der Hand hält er ein hellrotes Getränk, am Glas klemmt eine Ananasscheibe. Er nuckelt genüsslich an seinem Strohhalm. Sein Gesicht zeigt keinerlei Beulen, Kratzer oder sonstige Blessuren. Die Bademeister mustern ihn argwöhnisch.
»Wo warst du?«, frage ich ihn ungläubig. »Anne hatte gerade echt Probleme.«
»Kurz an der frischen Luft und dann an der Bar«, antwortet er.
»Das Beste nach einem Saunagang«, bestätigt ein jüngerer Bademeister. »Nach dem Saunagang braucht der Körper frische Luft, Obstsäfte und vor allem eines: Ruhe.«
Mr. Perfect sieht mich ernst an und saugt wieder an seinem Strohhalm. »Dieses Gesicht ist das Aushängeschild eines Familienfitness-Unternehmens. Blessuren machen sich darin nicht so gut.« Er sieht zu Anne. »Außerdem kann eine emanzipierte Frau ihre Streitereien allein austragen. «
Anne nickt widerwillig. Wäre der Psychologe hier, er würde meinem Erzfeind zu Ehren gleich ein neues Lederbüchlein eröffnen.
Als die Bademeister abgezogen sind, erzählt mir Anne, dass ihre Gegnerin bei der Prügelei Enya Sullivan heiße, eine berühmte Opernsängerin sei und sie alle ihre CDs besitze. Das habe sie aber erst eben festgestellt, als sich die beiden ausgesprochen hätten. Enya sei einfach frustriert gewesen, weil sie heute Morgen eine E-Mail vom Intendanten bekommen habe, der ihr Engagement an der Oper von Dublin gekündigt habe. Das findet Anne »skandalös«.
»Bla, bla, bla«, murmelt Mr. Perfect in sich hinein. Ich geselle mich zu Stanley Fröhlich.
»Das war ja wie früher zu Hooliganzeiten«, schwärmt er. Auf seinem Hotelbademantel entdecke ich ein paar Blutflecken. »Nicht von mir«, grinst er fröhlich und deutet zu einem tätowierten Iren hinüber, der aussieht wie ein Anhänger von West Ham United und sich das lädierte Auge reibt. Stanley grinst. Erst jetzt sehe ich, dass ihm ein halber Schneidezahn fehlt.
Die Männer kommen zusammen, es wird gescherzt, gekühlt, Hotelhandtücher werden ausgetauscht, die wackelnden Zähne der Großen ebenso bewundert wie die der kleinen Kinder. Es ist, als ob diese Schlägerei endlich die Distanz unter den zerstrittenen Gästen aufgehoben hätte. Klar, der sommersprossige Kerl hat mir wahrscheinlich die Nase gebrochen, und ich habe ihn in die Familienjuwelen getreten, aber wir alle sind uns einig: Es war doch eine richtig schöne Prügelei, wie man sie aus den alten Western kennt – oder aus dem Kindergarten.
»So etwas gibt es ja heute gar nicht mehr«, meint Stanley wehmütig, nachdem er mein Nasenbein sicherheitshalber mit Klebeband fixiert hat.
Beim Abkühlen im Außenbereich des Spas gerate ich in eine Gruppe russischer Oligarchen, die hier zu Gast sind, weil sie
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